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Fr, Mär

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Bauen wird immer gesichtsloser und undifferenzierter

Wärmedämmung
Stadthaus Zurlindenstrasse, Zürich. Architekt: huggen_berger GmbH. Foto: Beat Bühler
Haus Gruber, Erlangen. Architekt: bau-werk-stadt

Architekten schlagen Alarm: Das Bauen wird immer gesichtsloser und undifferenzierter. Schuld daran sei der allgemeine Dämmwahn – aber ist das tatsächlich der Fall? Ein nicht ganz ironiefreier Ausflug.

Früher war alles besser – der Himmel blauer, die Straßen freier und die Architektur noch wahre Baukunst. Damals visualisierten Fassaden die Individualität des Baukonzeptes und ihres Erfinders. Heute hingegen sind Fassaden zu Thermohüllen verkommen, die sich dem gestalterischen Furor des Planers störrisch widersetzen. Dämmsysteme lassen die Bauwelt verarmen, verbreien die Eleganz und die Eigenständigkeit von Bauwerken. Kurz: Die Baukunst geht vor die energetischen Hunde.

Und tatsächlich: Früher war die Architektur besser. Planer gingen sensibel, innovativ, dem Genius Loci folgend und streng nutzerorientiert ans Werk. Herrliche Zeiten waren es, als die regionalen Sparkassen mit ihrer Betonbaukunst auch kleinteiligsten Örtchen lehrten, was Materialgerechtigkeit und Modernität bedeuteten. Kunst entstand auf den uninteressant gewordenen Feldern vor den Toren der Stadt in Form durchgestylter Sattelitensiedlungen oder vielfältigster Einfamilienhaus-Gebiete. All das war und ist Alltag der Baukultur. Und ganz früher, da ließen Aristokraten gar prächtige Schlösser auf Kosten ihrer darbenden Untertanen aus dem Boden stampfen – das bewundern wir noch heute als vollendete Baukunst. Dabei aber betrachten wir nur eine formale Kulisse, alles andere wird ausgeklammert – etwa die Frage, wie funktional diese Bauten waren, wie es sich in ihnen leben oder arbeiten ließ oder wer sie letztlich bezahlte.

Wir pflegen also einen gewissen Tunnelblick, wenn wir über Architektur sprechen, dabei aber allein Ästhetik meinen – oder schlicht nach Maßstäben wie „schön“ und „hässlich“ befinden. Das mag Laien erlaubt sein, von Bauprofis jedoch erwartet man etwas differenziertere Analysen. Stattdessen haben viele Planer, auch prominente, die energetischen Auflagen für Neubau und Sanierung als Gefahr für alle Baukunst enttarnt. Insbesondere die Dämmung der Fassaden bedeute Verarmung der Gestaltung Untergang architektonischer Vielfalt. Eine steile These, die man so aufstellen kann, warum nicht.

Securitas Haus, München. Architekt: Walter Liebender. Foto: Wolfgang Pulfer
Wohn-und Geschäftshaus Kraus. Architekt: Langendorf Architekten. Foto: Johannes Vogt

Verschwörungstheorien waren schon immer beliebt, weil sie einfache Rezepte bieten, von komplexeren Zusammenhängen oder eigenen Fehlern ablenken. Fakt ist doch, dass die Gleichförmigkeit durch einen ganz anderen, viel mächtigeren Faktor getrieben wird: Von den Kosten. Und vom Unvermögen vieler Planer, neue Anforderungen kreativ anzugehen. Andere Disziplinen schaffen das: Industriedesigner konzipieren unter hohem Kosten-, Termin- und Technikdruck Maschinen, die nicht nur funktional sind, sondern auch noch Branding und Ästhetik transportieren. Die Ergebnisse sind beeindruckend und setzen weltweit noch immer Maßstäbe. Dass dies auch in der Architektur möglich ist, zeigen Konzepte, die schwierige Grundstücke, strenge Nutzungsvorgaben, Kostendeckel und Energieeffizienz klug und nachhaltig zusammenbringen. Natürlich gibt es viele Gründe, warum dies nicht bei allen Projekten so trefflich gelingen kann – die aber sind individuell und nicht verallgemeinerbar.

Unbenommen: Angesichts so mancher Fassade mag man der „Dämmung-ist-schlecht“-These sogar etwas abgewinnen. Aber nur auf den ersten Blick. Wer genau hinschaut – und das sollte man immer tun – kommt meist zu einem ganz anderen Ergebnis. Der österreichische Gutachter Michael Hladik brachte es in einem Vortrag jüngst auf den Punkt: „Das allerwichtigste Baumaterial ist Hirnschmalz – und das wird heute oft nicht mehr verwendet“.

Damit beklagte er zwar in erster Linie die Ausführungsplanung von Dämmfassaden, doch lässt sich die Erkenntnis auf viele Phasen des Bauprozesses übertragen. Nur über vermeintliche Gängeleien zu klagen, führt bekanntlich in die Sackgasse: Wer konstruktiv an die Dinge herangeht, kann jedoch neue Aspekte und auch neue Möglichkeiten entdecken – und so die Baukultur substanziell voranbringen. Das übrigens zeichnet eine lebendige Baukunst aus, die eben nicht Reproduktion des immergleichen ist, sondern Ausdruck ihrer Zeit, des gesellschaftlichen Willens und heute auch der globalen Klimaverschiebungen.

Klar ist auch, dass noch nie in der Baugeschichte so viele Technologien, Materialien und Verfahren zur Verfügung standen, noch nie so viel machbar war wie heute. Aber bei all dem gilt auch eine alte Erkenntnis: Nicht der Baustoff diktiert, sondern der Planer hat die Gestaltungshoheit. Die bautechnischen Optionen zu nutzen, ist Herausforderung und Verpflichtung zugleich, reichen die angebotenen Lösungen nicht aus, dann sollte man sich daran machen, die Lücken konstruktiv zu füllen. Und das mit allen Beteiligten im Boot. Nur so bleibt die Baukultur erhalten.

 


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