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Di, Mär

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Auseinandersetzung mit der russischen Architektur-Avantgarde

Design Kunst

Im Frühjahr zeigte der junge Kunstraum Düsseldorf drei raumgreifende Installationen von Ralf Werner, die sich intensiv mit der russischen Architektur-Avantgarde auseinandersetzen – auf künstlerische Weise. Für Laterna Melnikov etwa wurde ein Fenster aus dem Moskauer Wohnhaus von Konstantin Melnikov (1927) zum zentralen Motiv. In einer doppelten Projektion entstand aus dem Wechselspiel der projizierten Gebäudeelemente eine Überlagerung von Licht und Schatten, von Bewegung und Statik, von Raumbild (Fenster) und Raumeindruck (sich übereinander schichtende Lichteindrücke der Projektion).

»Es geht darum, die bildliche Darstellung eines Raumes mit dem dreidimensionalen physischen Raum zusammenzubringen.«

Bei Arbeiten, die nicht an einen konkreten Ort gebunden sind, gibt es solche Anlässe aber auch: Das sind dann oft historische Architekturfotos oder -zeichnungen, von denen ausgehend ich meine Arbeiten entwickle.

Janak Interferenz beispielsweise, ein Ensemble aus Tisch, Teppich und Paravent, entwickelte ich ausgehend von einer kleinen Skizze des kubistischen Architekten und Gestalters Pavel Janak. Nach seinem Entwurf für einen Schreibtisch (der nie gebaut wurde und von dem auch nur diese eine Zeichnung existiert) konstruierte ich eine Tischskulptur, die die »unsichtbare« Rückseite des Möbels (also die Ansicht, die Janak nicht gezeichnet hat) als Relief auf ihrer Oberseite trägt. Steht man mittig vor diesem Schreibtisch, so zeigt seine gefaltete Oberfläche die abgewandte Rückseite des Möbels. Die Arbeit changiert so zwischen illusionistischer Raumdarstellung und dem tatsächlichen räumlichen Sachverhalt des Möbels.

Simone Kraft: Wie entsteht eine Arbeit, wie gehen Sie vor – etwa für die Arbeiten, die gerade im Kunstraum Düsseldorf zu sehen waren?

Ralf Werner: Das lässt sich vielleicht am Beispiel dieser beiden jüngeren Arbeiten ganz gut beschreiben: Laterna Melnikov, 2014 und Oskolok, 2015 . Beide Arbeiten nehmen Bezug auf den russischen Architekten Konstantin Melnikov, und ganz konkret auf den sechseckigen Fenstertypus, den dieser für sein 1927 in Moskau erbautes Wohn- und Atelierhaus entwickelt hat. Laterna Melnikov geht zurück auf ein historisches Foto aus den 1930er Jahren, das eines dieser Fenster im Detail zeigt. Ich habe diese Fotografie gewissermaßen nachgebaut. Aber nicht im Sinne einer modellhaften Rekonstruktion des realen Fensters, sondern räumlich verzerrt, so dass das kleine Objekt die Ansicht des Fensters wiedergibt, ohne wirklich die räumliche Tiefe des Dargestellten zu haben.

Diese architektonische Miniatur selbst bleibt aber unsichtbar: Sie ist in den Zwischenraum zweier kopfüber aufeinander stehender Episkope eingepasst. Sie wird nur indirekt sichtbar, über die Optik der beiden Episkope, die zwei Ansichten des Fensters an die Wand projizieren. Nur das untere der beiden Episkope ist eingeschaltet, so dass von unten Licht durch das Fenster in das obere Episkop fällt, und dieses ohne eigene Lichtquelle ein Bild projiziert. Die obere Projektion zeigt das Fenster im Gegenlicht (von Innen), wohingegen die untere Projektion die von Licht beschienene (Außen-)Seite des Fensters zeigt. Beide Ansichten des Fensters überlagern sich in der Projektion. Eine rotierende Scheibe deckt das untere Objektiv in regelmäßigen Abständen ab und gibt es langsam wieder frei. Auf diese Weise entsteht eine kontinuierliche Überblendung zwischen den beiden Ansichten. Laterna Melnikov beschäftigt sich also mit dem Fenster als Bildphänomen.

Oskolok, 2015 (Installation im Kunstraum Düsseldorf, 2015)

Simone Kraft: Bei Oskolok ist das anders.

Ralf Werner: Dort interessiert mich das Fenster vielmehr als skulpturaler Körper und als »Blickmaschine«: Die sechseckigen Fenster, die Konstantin Melnikov entwarf, habe ich rekonstruiert und aus diesen Repliken Skulpturen aus Holz und Glas entwickelt, die in ihrer komplexen Geometrie wie ein artifizieller Scherbenhaufen erscheinen, die den architektonischen Umraum vielfach gebrochen wiederspiegeln und in diesen Reflexionen fragmentarisch auflösen.

Simone Kraft: Wie kam es zum Schritt vom Arbeiten »am Raum« – die frühen Raumskulpturen, die Kunst-am-Bau-Arbeiten – zum Arbeiten im Raum?

Ralf Werner: Natürlich unterscheide ich auch selbst zwischen meinen Raumskulpturen, also den architektonischen Interventionen, die für einen spezifischen Ort entwickelt werden, und solchen Arbeiten im Raum, die nicht an eine vorhandene, gegebene architektonische Situation gebunden sind. Aber es ist nicht so, dass die eine Werkgruppe eine andere abgelöst hätte, vielmehr verfolge ich beide Ansätze nebeneinander. Ich begreife sie auch nicht als grundverschieden, sie kreisen beide eigentlich um ganz ähnliche Fragestellungen nach der Darstellung und Wahrnehmung von Raum, sie starten nur von unterschiedlichen Ausgangspunkten.

Simone Kraft: Warum Bildhauerei? Welche Vorteile ermöglicht sie?

Ralf Werner: Als Bildhauer formuliere ich meine künstlerische Position im Raum und mit dem Raum. Das beschränkt sich jedoch nicht nur auf die klassischen bildhauerischen Materialien und Techniken. Meine Arbeit bewegt sich zwischen dem konkreten, gebauten Raum und einer imaginierten Raumgestalt (einer Bildvorstellung), die mit dem physischen Raum in Beziehung tritt. Dieser »Vorstellungsraum« materialisiert sich in den unterschiedlichsten bildnerischen Techniken: Das reicht von Objekt und architektonischer Skulptur bis zu Zeichnung, Fotografie und Projektion.

Simone Kraft: Arbeiten Sie auch mit anderen Techniken – und warum?

Ralf Werner: Gerade meine Projektionen betrachte ich letztlich ebenfalls als bildhauerische Arbeiten, weil in ihnen Fragen nach dem Raum und seiner Repräsentation im Bild verhandelt werden. Auch meine fotografischen Arbeiten entstehen aus dieser bildhauerischen Auffassung heraus, und ich denke, dass in ihnen immer auch eine Reflexion über Raum spürbar wird.

Brise-Soleil, 2013

Brise-Soleil beispielsweise ist eine Serie von Fotomontagen die um das architektonische Motiv der Sonnenblende kreist. Dafür habe ich Abbildungen aus Architekturbüchern der 50er und 60er Jahre als Ausgangsmaterial benutzt. Diese Bilder interessieren mich auch deshalb, weil sie am Anfang einer Abbildungsgeschichte der Architektur der Moderne stehen: Viele dieser Bauten, die heute ikonisch die Moderne repräsentieren wurden hier erstmals fotografisch publiziert, und diese Bilder entwickelten (losgelöst von den gezeigten Bauten) ihre eigenständige Wirkungsgeschichte.

Meine Montagen zerlegen und fragmentarisieren diese Bilder, um sie zu einem neuen Bildkontext zusammenzufügen, der räumlich äußerst komplex und vieldeutig erscheint. Sie sind dabei gleichermaßen Rekonstruktion wie Dekonstruktion von Raum.

Simone Kraft: Gibt es Vorbilder, Inspirationen?

Ralf Werner: Gordon Matta-Clark ist jemand, dessen Arbeit mich schon während meines Studiums sehr beschäftigt hat, und er ist eigentlich auch noch heute ein wichtiger Referenzpunkt.
Seine splittings und intersections greifen direkt auf Architektur zu und transformieren sie unmittelbar in bildhauerisches Material. Diesem künstlerischen Ansatz fühle ich mich nahe. Auch seine fotografischen Arbeiten, die begleitend zu den architektonischen Interventionen entstanden sind, schätze ich sehr.

Simone Kraft: Ralf Werner, herzlichen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit!

Alle Abb.: Ralf Werner, www.ralfwerner-online.de

Quelle deconarch.com

 


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