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Di, Mär

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Modulbauweise mit architektonischem Mehrwert

Menschen

Wir werden häufiger gefragt, ob sich das Bauen mit Containern nicht konträr zu unserer Profession als Architekt verhalte. Das möchte ich für unser gesamtes Büro klar verneinen. Architekten denken per se modular, denn auch bei konventioneller Bauweise setzt sich ein Gebäude aus einer Vielzahl von vorgefertigten Bauelementen in einheitlichen Abmessungen, wie Mauersteinen, Sichtbetonplatten, Fliesen u.v.m. zusammen. Was spräche also dagegen, auch mit großteiligen Modulen zu arbeiten; mit Modulen, in denen sogar bereits Funktionen integriert sind? Sie müssen natürlich gestaltbar sein, damit dieser wichtige, der Architektur innewohnende Part sich entfalten kann. Ich kann Container einfach reihen und stapeln und damit ebenso banale Gebäude und unspezifische Räume schaffen, wie wir sie aus der konventionellen Bauweise leider hinlänglich kennen. Die Tatsache, dass manche unproportionierten und monotonen Bauten aus Mauerwerk oder Beton errichtet wurden, macht sie nicht per se besser. Wo proportionsgebende und raumbildende Aspekte nicht zum Tragen kommen, kann keine Architektur entstehen. Auf der anderen Seite können Architekten aus zunächst nüchternen Containern mit ihren strikten Rastermaßen durchaus inspirierte, industrietaugliche Gebäude bauen. Somit hat die Frage nach dem eigenen Anspruch und der Lust am Experiment sehr viel mehr Gewichtung als die Frage nach systemabhängiger oder ‑unabhängiger Bauweise. Allein der Part der Konstruktion wird dem Architekten bei ersterer weitgehend abgenommen, da sie in diesem Fall systemimmanent ist – sofern es sich nicht um eine Mischbauweise handelt. Der Entwurf und die Gestaltung jedoch bleiben in seiner Hand und dabei bieten Container viel mehr Spielraum, als der Laie glauben mag. Für uns liegt die Herausforderung darin, in durch die Module vorgegebenen Rastermaßen perfekt funktionierende, hochwertige und individualisierte Raumgefüge in aussagekräftiger Hülle zu entwickeln.

Container-Architektur entsteht aus den unterschiedlichsten Motiven und zeigt sich daher in diversen Ausprägungen. Oft ist es die experimentelle Neugier, welche einen Architekten zur Beschäftigung mit dieser modularen Bauweise treibt. Der 2010 von Han Slawik, dem Pionier auf diesem Gebiet, und anderen herausgegebene »Container Atlas«1) liefert eine breite Palette an Beispielen zwischen Experiment und Pragmatik. Unser Büro hatte sich zunächst rein kreativ mit Containerarchitektur auseinandergesetzt. Unter dem Begriff »Raum im Dazwischen« hatten wir beim Kölner Architekturfestival Plan 05 im Stadtgebiet für die Dauer eines Jahres Container in verschiedenen Konfigurationen auf unterschiedlichsten Grundstücken – von Baubrachen bis hin zu Dachflächen – aufgestellt und in die bestehenden Versorgungsstrukturen der Stadt eingebunden. Damit sollten angesichts des Mangels an erschwinglichem Wohnraum neue Formen des Lebens und Arbeitens in urbanen »Zwischenräumen« erprobt werden. Dieses kreative Konzept lässt sich durchaus in ein pragmatisches übertragen. Auch auf Industriegeländen mit Bestandsbauten gibt es in der Regel „Räume im Dazwischen“, die sich für derartige Erweiterungen anbieten. Die Aufgabe des Architekten besteht dann nicht nur in einem Entwurf und einer ebenso funktionstüchtigen wie formal einwandfreien Ausgestaltung eines Containergebäudes, sondern auch in dessen planerischer Integration in das bestehende Ensemble.

Um die maximale Ausnutzung eines Grundstücks ging es bei dem beauftragten Bau eines modularen Ausstellungsgebäudes zur Bauma. Hier war Experimentierfreude geradezu gefordert, um den Widerspruch zwischen dem Modulmaß der Container und der Grundstückfläche zu lösen. Denn bei dem sich aus 4 x 4 Containern ergebenden Raster blieben zwei Randstreifen unbebaut. Diese unwirtschaftliche Situation hoben wir durch Versetzen der jeweils ersten Containerreihe auf. So konnte die Bebauung bis an die Grundstücksgrenze erfolgen, während die Flächengröße der vormaligen Randstreifen für zwei Eingangsachsen nutzbar gemacht und somit Teil des Bebauungskonzepts wurde. Eine weitere räumliche Ausdehnung erfolgte in die Höhe. Mit standardisierten Modulen bildeten wir ein inneres Gebäude von 3 x 3 x 3 Containern. Aus 7 x 3 bis auf ihr stählernes Traggerüst reduzierten Containern bauten wir ein äußeres Gebäude, das die Ausstellung quasi umarmte und das Besichtigen von außen ermöglichte. Um beide Gebäudeteile legten wir eine Spanntuchfassade auf bedrucktem Netzvinyl, die am Tag den Eindruck eines solitären Gebäudes erweckte. Erst am Abend wurde das Ausstellungsgebäude aufgrund der Beleuchtung von innen als Modulbau wahrnehmbar. Auch diese Idee lässt sich auf den Industriebau, der sich von vergleichbaren Gebäuden innerhalb seiner Typologie differenzieren will, übertragen.

Vor fünf Jahren widmeten wir uns der pragmatischen Aufgabe, eine repräsentative Wartungs- und Montagehalle mit angegliederter Verwaltung als Mischform aus konventioneller und modularer Bauweise zu bauen. Die zwei Jahre später erfolgte Auszeichnung als beispielhafter Gewerbebau2) beweist, dass man mit Containern tatsächlich eine gut funktionierende und individualisierte Architektur schaffen kann, wenn Entwurf und Gestaltung alle relevanten Aspekte mit dem Potenzial der Modulbauweise in Einklang zu bringen vermögen. Die Verwendung von Stahlrahmen, welche die Funktion tragender Wände übernehmen, ermöglichte flexibel die Umsetzung unterschiedlich großer, zu den geräumigen Fluren mit Glastüren begrenzter Büroräume, die Blickbezüge erlauben. Das am Haupteingang komplett verglaste, als zweigeschossiger Luftraum ausgelegte Foyer empfängt Mitarbeiter, Kunden und Gäste mit repräsentativem Charme. Und die wärmegedämmten Stahlkassetten, welche die Fassade gestalten, stehen in edlem Kontrast zu den Sichtbetonelementen der Industriebaukörper. An diesem Gebäude ist deutlich ablesbar, das ihm ein architektonisches Konzept zugrunde liegt.

Einen Mehrwert durch Architektur erhielt der Industriebau-Komplex auch durch die Weitsicht, den Grundriss und die Bauform des Gebäudes von Anfang an auf Erweiterbarkeit auszurichten. Für den dreigeschossigen Verwaltungstrakt steht eine solche jetzt mit 24 zusätzlichen Einheiten auf drei Geschossen an. Die architektonische Planung des Bestandsbaus ermöglicht es, dass sich der Neubau harmonisch und ohne funktionelle Einbußen in das Ensemble integriert. Bereits Ende des Jahres wird die Erweiterung nach achtmonatiger Planungsphase und Bauzeit abgeschlossen sein.

Im Containerbau ist das gestalterische Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Aus der Kooperation von experimentierfreudigen Architekten und flexiblen, wegweisenden Anbietern im Systembau werden in Zukunft noch viele Gebäude entstehen, die der konventionellen Bauweise in keinster Weise unterlegen sind und für Überraschung sorgen.

 

1) Container Atlas  – Handbuch der Container Architektur, Slawik, Bergmann, Buchmeier, Tinney (Hrsg.), Gestalten, Berlin 2010

2) Die Auszeichnung wurde von der IHK Köln und dem Haus der Architektur Köln in Zusammenarbeit  mit der Bundesstiftung Baukultur und der Architektenkammer NRW vergeben. 

 

Über den Autor:
Frank Holschbach studierte Architektur in Siegen und am Politecnico di Milano sowie Master of Arts in Integrated Design in Dessau. Zusammen mit seinen ehemaligen Studienkollegen Jens Voss und Frank Lohner betreibt er das 1999 gegründete Büro LHVH Architekten in Köln. LHVH Architekten betreut Projekte von der ersten Entwurfsskizze bis zur Baufertigstellung. www.lhvh.de

 


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