Das als »Haus Taube« bekannte Gebäudeensemble wurde im Jahr 1867 errichtet. Die beiden Gebäudeteile waren zeitweise als Ferienhäuser vermietet worden. Der jetzige Besitzer wollte alles zu einer Einheit zusammenfassen und zeitgemäßen Wohnraum für sich und seine Familie schaffen.
Das Konzept der Architekten gerner gerner plus ist so einfach wie klar: Ein in Holzbauweise errichteter Zubau mit Foliendach entlang der straßenseitigen Mauer verbindet nun die beiden Hauptgebäude direkt miteinander, schirmt das Grundstück von Lärm und Südsonne ab und definiert den Innenhof noch klarer als geschützten Freiraum.
Der behutsame Umgang mit dem Bestand hatte Priorität. Daraus ergibt sich die trapezförmige Grundrissfigur des Neubaus. Dieser hält immer einen Respektabstand zum Vorhandenen, die Hierarchie ist überall klar ablesbar, und es werden historische Details wie die Natursteineinfassungen der Fenster oder Gesimse einbezogen und hervorgehoben. Die Vorzüge von Alt und Neu betonen sich im Kontrast gegenseitig. Neue Öffnungen im Mauerwerk werden als geradlinige Einschnitte gesetzt, und die Fassadengestaltung mit weißem Putz und schwarzen Fensterläden wird mit Haustür und Fenstereinfassungen in Schwarz fortgesetzt.
Es sind 46 Quadratmeter zusätzliche Wohnfläche entstanden: Mit einem raumbildenden Möbel wurde eine kompakte Eingangssituation mit Garderobe geschaffen, der Hauptteil ist als großzügige Wohnlandschaft gestaltet. Durch raumhohe Schiebetüren öffnet sich der Raum auf der gesamten Längsseite zum Hof und wird mit weichem Nordlicht hell, aber blendfrei belichtet. Über den durchgehenden Oberlichtstreifen in der straßenseitigen Wand entsteht je nach Sonnenstand ein zusätzlicher Lichtakzent, der Raum bleibt aber vor übermäßiger Sonneneinstrahlung geschützt. Der Innenhof wird auf allen Seiten von alten Mauern begrenzt, die zusätzlich das Tageslicht reflektieren. In einer großen Nische in der gegenüberliegenden Naturstein-Stützmauer, einem ehemaligen Stall, wird ein geschützter Sitzplatz im Freien eingerichtet.
Die Materialwahl im Innenraum bleibt bewusst zurückhaltend. Der helle Natursteinboden mit Fußbodenheizung nimmt Bezug zum alten Steinpflaster im Innenhof, ansonsten schlicht weiße Wände, schwarze Stützen und Fensterrahmen – und ein beidseitig offener Kamin in der multifunktionalen Wand beim Eingang. Ergänzend wurden die angrenzenden Räume in den bestehenden Gebäudeteilen neu ausgestattet, etwa mit einer Kücheninsel, und der alte Holzdielenboden wurde mit aller Sorgfalt restauriert.
Das Ensemble ist nun klar als Einheit ablesbar und weit mehr als die Summe der Teile. Der historische Bestandsbau wurde mit geringstmöglichen, aber ganz gezielten Eingriffen und Ergänzungen auf ein neues, zeitgemäßes Niveau des Wohnkomforts gehoben; der Innenhof zeigt sich jetzt als zusätzlicher hochwertiger Wohnraum im Freien.
Für den Bauherrn war es nach eigener Aussage »Liebe auf den zweiten Blick«. Nach seiner Meinung muss man die klare Formensprache des Architekturbüros erst verstehen lernen und vor allem zulassen können. Für ihn war das nach dem ersten Entwurf und dem dazu notwendigen Gespräch nach einem Erstprojekt, einem Firmengebäude, nicht das geringste Problem. Die gesamte Bauzeit, der gesamte Ablauf und vor allem des fertige Projekt überzeugten ihn vollends.
Standort: Hauptstraße 77, 7023 Pöttelsdorf / Burgenland
Bauherr: Manfred Böhm
Grundstücksgröße: 305 m²
bebaute Fläche: 207 m²
Wohnnutzfläche: 46 m² Neubau
Konstruktion: Holzbauweise
Fassade: südseitig: bestehende Einfriedungsmauer mit Oberlicht, nordseitig: raumhohe Aluminium-Verglasung mit Schiebetüren
Planung: September 2011
Realisierung: November / Dezember 2011
Bilder: gerner gerner plus | matthias raiger