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Do, Apr

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Villa Waldried von Marazzi + Paul

Projekte (d)

Vom Gurten oder Dentenberg bietet sich ein wunderbarer Gesamtblick in die Alpenkette des Berner Oberlandes, über die zahlreichen Grüngürtel, über die verschiedenen Naherholungsgebiete, welche die Gemeinde Muri bei Bern prägen. Aber auch ihre lockeren Siedlungsstrukturen sind zu entdecken, die – frühen Ausgrabungsfunden zufolge – bis in die Römerzeit zurückreichen. So alt ist die Villa Waldried nicht. Ihre Entwicklung beginnt in den 1940er-Jahren – in einem Wohngebiet, das vornehmlich aus Einfamilienhäusern und einzelnen weiteren Villen besteht. Diese Bauten strecken im Laufe der Zeit die Siedlung, sodass heute Architekturen aus verschiedenen Jahrzehnten ablesbar sind. Auch die 1942 erbaute Liegenschaft gehört dazu. Sie erwirbt die Bauherrschaft in der Absicht und mit der dazugehörenden Notwendigkeit einer Pinselrenovierung – und ahnt noch nichts vom Transformationspotenzial, welches innerhalb des bestehenden, in die Jahre gekommenen Gebäudekörpers schlummert. Drei Bestandesebenen insgesamt: zuunterst der Gebäudesockel mit integrierter Doppelgarage und darüber die zwei Obergeschosse mit den Wohnsowie Schlaf- und Rückzugsräumen.

Das beauftragte Architekturbüro Marazzi + Paul AG erkennt den Mehrwert, der durch eine räumliche Neugliederung, durch eine Optimierung der Raumlandschaft, durch eine Umorganisation und Erweiterung der Grundrisse erzielt werden kann. Rückblickend ist dies für das zuständige Architekturbüro der besondere Reiz der Bauaufgabe: Dass sich das Konzept erst während des Bauprozesses bildet und es weitere Entdeckungen auf der Baustelle einzupassen gilt. So trägt etwa die vorhandene Sparrenlage nur wenig zur Gebäudestabilität bei, womit das Freilegen des Dachstuhls und die damit einhergehende Vergrösserung der Raumhöhen plötzlich zu einem Thema werden.

Als Kernpunkt des gesamten Umbau- und Renovierungskonzeptes kristallisiert sich die erdgeschossig neue offene Raumstruktur heraus. Die dort vorhandene Einzelraumstruktur wird freigelegt und in eine offene kontinuierliche Raumlandschaft umgewandelt, ergänzt durch Zubauten. Da das bestehende Raumgefüge dieser Neustrukturierung kaum entgegen wirkt, ist nahezu eine komplette Entkernung des Gebäudes notwendig und das Tragwerk entsprechend an die neuen Raumbedürfnisse anzupassen. Dabei übernimmt die Transformation das Einfache und Klare des Bestandes, der bewusst mit den Zubauten verschmilzt.

Eine klare Zuweisung in der Raumhierarchie gliedert den Grundriss. Zum dichten Gehölz, das nordseitig unmittelbar an die Parzelle angrenzt, orientieren sich sämtliche Funktionsräume, zur Sonnenseite hin die Wohn- und Schlafräume – mit herrlicher Aussicht auf die sich in der Ferne erstreckenden Alpenkette, konkreter auf das Berner Oberland. Angeordnete Balkone und Terrassen liegen diesen Haupträumen an. Die Neuplatzierung der Garage ermöglicht dabei die Aktivierung der Dachfläche. Sie dient nun an als Wohnterrasse, dort, wo vormals nur Hanggelände war. Grosszügige, schwellenlose Hebeschiebefenster, die mit einem minimalen Rahmenanteil auskommen, verstärken den Eindruck der Wohnraumerweiterung.

Neu im Erdgeschoss ist eine Bibliothek, die das Wohnzimmer in den Anbau verschiebt. Dazwischen klemmt sich als Raumtrenner der Cheminée-Ofen, gleichwohl bleibt die Tiefe der gesamten Raumabfolge – der grosszügigen Raumöffnungen wegen – sichtbar. Überhaupt ist das sich Öffnende ein fixer Bestandteil der Transformation. Der Anbau, der den Wohnraum zu einem Raumkontinuum erweitert, ergänzt im Obergeschoss die insgesamt drei Schlafzimmer mit einem zusätzlichen Arbeitsraum. Die freigelegte Dachstuhlgeometrie erweitert den Raum im Obergeschoss genauso wie die neu konzipierte, sich öffnende Treppenanlage. Das dazugehörende, zweigeschossige Treppenfenster ermöglicht den Blick auf den angrenzenden Wald. Das vormals komplett eingewucherte Gebäude umgeben nun Freiräume, die von der Durchgrünung entschlackt und klar einer bestimmten Nutzung zugewiesen sind.

Die Umgestaltung der Fassade behält die Dachform, Fensterrasterung und Fassadengliederung grundsätzlich bei, führt die einfache Erscheinung im Kontext mithin fort. Gleichwohl hebt sich der Baukörper nun durch sein markantes Bauvolumen vom präsenten Siedlungsbild ab. Der differenzierte Einsatz von Putzoberflächen führt zu einer feiner nuancierten Fassadenunterteilung, um den Effekt der optischen Volumenreduktion zu erzeugen. Der Sockel hebt sich durch eine horizontal gegliederte, bossenartige Putzfassade – verstärkt noch durch ein an der Übergangsstelle angebrachtes, feines Metallblech – vom weiss verputzten Hauptgebäude ab. Das in Metall verkleidete Dach bildet dazu den kräftigen Abschluss.

Als leitendes optisches Element der Fassadengestaltung fügt sich ein durchgehendes Spenglerblech geschickt in die Details ein. Mal dient es als Brüstungsabschluss, mal trennt es den unteren Sockelbereich vom Hauptgebäudekörper. In seinem kräftigen Anthrazit ausgewählt bildet es den notwendigen Kontrast zu der hell gehaltenen Hauptfassade. Das rauchige Ganzglasgeländer wiederum bildet als besonderer Akzent den Terrassenabschluss sowie die Balkon-Absturzsicherung. Die mit einer bewusst dunkleren Farbnuance umrandeten Fenster betonen die bereits ausgeprägte Lochfassade noch mehr. Sämtliche Fensterleibungen sowie die rückseitigen Terrassen- / und Balkonwände besitzen denselben Farbton, was die jeweiligen Aufenthaltsbereiche differenziert und die Wahrnehmung der Lochfassade unterstützt.

Der Innenausbau lebt von der Präsenz hochwertiger Details, die jeweils Oberflächen möglichst präzise und flächenbündig ineinander übergehen lassen. Ein Altbau weist jedoch grössere Toleranzen auf als ein Neubau. Deshalb mussten mit den Handwerkern zusammen Lösungen entwickelt werden, welche die Toleranzen im Gebäude ausgleichen bzw. anpassen – beispielsweise massgeschneiderte Aufdoppelungen, um etwa ein Fensterrahmen bündig mit der anschliessenden Wand zu verbinden.

Sämtliche Details sollen die Einfachheit und Klarheit des ursprünglich angelegten Gebäudes widerspiegeln. Deshalb der bewusste Verzicht auf den Einbau von Sockelleisten, um die farbigen Wände, den hölzernen Bodenbelag und die mit Weissputz versehenen Decken als klare Elemente ablesbar zu machen. Auch das neugestaltete Treppengeländer entspricht der Einfachheit des Bestandes. Sämtliche dieser Massnahmen haben von den Handwerkern und Planern ein sehr hohes Mass an Präzision und Präsenz auf der Baustelle gefordert.

Eine starke Ortsbezogenheit prägt als wichtiges Kriterium den Entwurf. Deshalb gelangt aufgrund des vorherrschenden Baumbestandes auch das Material Holz bzw. Holzwerkstoff in verschiedenen Ausprägungen und Behandlungen zur Anwendung. Die Verkleidungselemente aus nordischer Fichte sind mit einer silbergrauen Lasur geschützt bzw. »vorbewittert«. Die vertikale Gliederung verleiht dem Volumen eine ausgewogene Proportion zwischen Länge/Breite und Höhe. Die einzelnen Fassadenelemente (Bretter/Stäbe) sind unterschiedlich in ihren Abmessungen (Breite und Dicke). Sie sind unregelmässig bzw. im Wechselspiel zwischen »liegend« und »stehend« angeordnet und geben der Fassade so eine Tiefe. Dieses Gestaltungselement ermöglicht es auch, sekundäre Öffnungen in der Perspektive verschwinden zu lassen (die liegenden Elemente werden unterbrochen, die stehende laufen durch).

Marazzi + Paul Architekten AG, www.marazzi-paul.com

Ausführung: 2014 bis 2016
Bruttogeschossfläche : 860 m2
Bausumme: CHF 3.2 Mio.
Beauftragung: Direktauftrag
Architektur: Marazzi + Paul Architekten AG
Fachplaner: Fachplaner plandesign pd gmbh, EBING Bauingenieur GmbH, fux&sarbach Engineering AG
Zusammenarbeit mit: rychner zeltner architekten ag
Bilder: Rob Lewis, Bern


Der Anspruch einer ökologisch sensiblen Außenbeleuchtung setzte sich bei der Illuminierung des Magazinbaus mit seiner Fassade aus gefalteter Bronze fort. Zur strikten Vermeidung von Skyglow wurde in akribischer Abstimmung mit den Beteiligten und mittels nächtlicher Bemusterungen eine Streiflichtlösung mit Linealuce-Bodeneinbauleuchten erarbeitet. Foto: HG Esch

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