Auf dem 90.000 m² großen Gelände des ehemaligen Neustadtgüterbahnhofs in Bremen entsteht derzeit ein mixed-use Quartier, das historische Bedeutung und innovativ-urbanen Flair miteinander verbindet. Hier sollen sich künftig Gewerbe, Handwerk und Büros ansiedeln, zugleich ist das Bestreben des Immobilienentwicklers Peper & Söhne, das Areal durch die Öffentlichkeit zu beleben. Als Bindeglied zwischen den Stadtteilen Neustadt und Woltmershausen wird dem Gebiet außerdem eine besondere Aufmerksamkeit zuteil und es stellt ein wichtiges Leuchtturmprojekt für die Stadt Bremen dar. Auch deshalb ist die Zertifizierung mit DGNB Gold angestrebt.
Das Bremer Architekturbüro Westphal Architekten BDA zeichnet nicht nur für das „Spurwerk“, den ersten, jüngst fertiggestellten Baustein des Quartiers, sondern auch für das städtebauliche Konzept zur Realisierung weiterer Baukörper auf dem Areal verantwortlich. Um eine stadtbildende Raumkante zur Adressbildung des Gesamtquartiers zu entwickeln, sieht das Konzept von Westphal Architekten eine straßenbegleitende Bebauung entlang der Carl-Francke-Straße vor, die sich aus vier L-förmigen Einzelbaukörpern zusammensetzt. In ihrer Länge sollen die Häuser variieren, dabei über ihre Stellung zueinander jedoch stets gemeinsame Innenhöfe ausbilden, um eine hohe Aufenthaltsqualität im Freien zu gewährleisten. Dabei zeichnet die Höhenstaffelung eine bewusste Akzentuierung der eckständigen Baukörper.
Der erste eckständige Baukörper, das „Spurwerk“, wurde jüngst fertiggestellt. Mit dem sechsgeschossigen Bürogebäude haben Westphal Architekten die vorgesehene angemessen repräsentative Adressbildung des Gesamtquartiers maßgeblich entwickelt und dem Gewerbegebiet auf diese Weise die zur Akzeptanz in der Öffentlichkeit wichtige und notwendige urbane Identität verliehen.
Identitätsstiftender erster Baustein
Maßgeblich für die Konzeption des Quartiersauftaktes auf der bisherigen Brachfläche war dabei für die Architekten aus Bremen der übergeordnete ganzheitliche Blick auf das städtebauliche Ensemble, bestehend aus vier Baukörpern, als wachsende Raumkante entlang der Carl-Francke-Straße.
Das „Spurwerk“ orientiert sich zur Carl-Francke-Straße, wodurch der Fassade eine besonders identitätsstiftende Funktion zuteil wird. Westphal Architekten erreichten dies unter anderem über die differenzierte vertikale Schichtung mit einer gestaltgebenden Erdgeschosszone, die gebäudeübergreifend über eine großzügige Geschosshöhe und damit einhergehend auch über ein einheitliches Fassadenbild dem Quartiergedanken gerecht wird und ein hohes Maß an Öffentlichkeit ausdrückt. Für die darüber liegenden Geschosse haben sich die Architekten bewusst für eine andere Geschosshöhe wie auch für einen Materialwechsel entschieden. Die Fassaden entfalten auf diese Weise sowohl aus der Nähe als auch aus der Ferne eine signifikante Wirkung. Und das, obgleich die Fassadengestaltung der systembedingten rasterbezogenen und wirtschaftlichen Baukonstruktion „321 Office Architecture“ von GOLDBECK unterliegt. Die konsequente Orientierung daran wie auch an dem Bestreben, der Büronutzung im Gebäude einen Rahmen zu geben, der über einen möglichst langen Zeitraum Änderungen im Nutzeranspruch gerecht werden kann, brachte das Architektenteam dennoch nicht dazu, die Fassadengestaltung substanziell in Frage zu stellen. Im Gegenteil – sie war ein elementarer Bestandteil der Fassadengestaltung, die nun unterschiedliche und wechselnde Innenraumkonzepte zulässt. So ergibt sich für das Fassadenraster ein Öffnungsmaß, das die maximale Höhe ausschöpft und sich in der Breite über weniger als zwei Achsen öffnet. Es entwickelte sich eine im Verhältnis zur Geschosshöhe angemessene Reaktion auf die Gesamtproportion des Hauses. Die bewusst eingesetzte simple Geometrie untermauert dabei das Bestreben nach einer zeitlosen Akzeptanz des Hauses im Stadtgefüge.
Historisches Vorbild zeitgemäß interpretiert
Ausgangspunkt für die Herleitung des gewählten Fassadenmaterials für die oberen fünf Geschosse war die Orientierung an vertrauten Ziegelarchitekturen mit gewerblichem Charakter aus der Umgebung. Der robuste und langlebige Ziegel als Hauptfassadenmaterial verschafft dem Gewerbeviertel angemessen ablesbare industrielle Charakterzüge. Dabei emanzipiert sich der Baukörper über die entsättigte hellgraue Farbigkeit bewusst von historischen Vorbildern und kommt in Verbindung mit der Erdgeschosszone, die in dunklem Glasfaserbeton ausgestaltet wurde, in einer zeitgemäßen Ausgestaltung daher. Die Erdgeschosszone stellt mit ihren Öffnungen und einer dezent triangulierenden räumlichen Faltung in der Fassade Assoziationen zu Arkaden her und erhöht die Plastizität des Baukörpers an dieser Stelle einmal mehr. Metallische Materialien für Fenster oder Türen orientieren sich in der Farbgebung am jeweiligen Fassadenwerkstoff, setzen sich über ihre Oberflächeneigenschaften dabei bewusst vom massiven Teil der Fassade ab.
Größtmögliche Flexibilität sichert langfristige Nutzung
Um größtmögliche Flexibilität für die künftigen Nutzer zu gewährleisten, haben sich die Architekten von Westphal dazu entschieden, das Gebäude über seine Geschosse vertikal in drei Nutzungsabschnitte zu gliedern. Die Obergeschosse eins bis fünf dienen dabei überwiegend der Büronutzung. Der Grundriss ermöglicht hier eine gleichmäßige Verteilung der Treppenräume und eine flexible Einteilung in unterschiedlich große Nutzungseinheiten. Pro Ebene ist größtenteils eine Aufteilung in zwei Einheiten möglich. Dabei liegt die Größe pro Einheit in jedem Szenario über 400 Quadratmeter ohne notwendige Flure. Innerhalb der Einheiten ist jede individuelle Raumkonfiguration je nach Arbeitsphilosophie mit unterschiedlich großen Bürozellen, Kommunikationsflächen und Work-Spaces denk- und realisierbar.
Im Erdgeschoss können zwei Einheiten separat direkt von außen straßenseitig als auch vom Innenhof erschlossen werden und mit Gastronomie oder Ausstellungsflächen belegt werden. Diese Sondernutzungen dienen der Aufwertung des gesamten Quartiers als lebendiger Ort – nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zum Leben, zum Flanieren und Verweilen.