Es kommt nicht oft so vor, dass kleine private Bauvorhaben von offizieller Seite eingeweiht werden. In Berlin ist Anfang Juni das Science Center Medizintechnik des global agierenden Medtech-Unternehmens Otto Bock HealthCare im Beisein von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit eröffnet worden. Wenn sich Weltmarktführer in der Hauptstadt niederlassen, ruft das die Politik auf den Plan. Sie begrüßt ein traditionelles und gleichzeitig innovatives Unternehmen, das sich künftig im unmittelbaren Zentrum der Stadt der Öffentlichkeit in einem repräsentativen Geschäftshaus mit multimedialen Ausstellungsflächen zeigt.
Der prominent platzierte Firmensitz folgt nicht der eigentlich eng gefassten Berliner Ästhetik mit klarer Aussage zu Traufhöhe, Material und Blockrandbebauung. Vielmehr zeigen Gnädinger Architekten am Potsdamer Platz, wie sich auch in einer Stadt mit strengem Baureglement unkonventionelle Architektur mit expressiver Formensprache durchsetzen lässt. Umso bemerkenswerter, dass diese Hauptstadtzentrale nicht von einem der weltweit renommierten Architekten realisiert wurde: hier setzte sich ein vergleichsweise unbekanntes Berliner Büro mit einem einprägsamen Entwurf durch.
Jenseits der Vorgaben der Berliner Gestaltsatzung gelang eine Architektur, die auf die Raumgebilde der nahe gelegenen Ministergärten reagiert und mit der dort vorhandenen städtebaulichen Situation des Typus »Solitär« korrespondiert.
Ausgehend von der Idee menschlicher Muskelfasern entwickelte der Architekt Rolf Gnädinger für das Science Center Medizintechnik der Otto Bock HealthCare GmbH eine mutige, absolut abstrahierte Fassade. Eine amorphe, weiße Aluminium-Glasfassade umhüllt den sechsgeschossigen Stahlbetonbau, der sich als kompakter Baukörper mit rund 1300 Quadratmeter Nutzfläche präsentiert und in unmittelbarer Nachbarschaft der Bauten von Richard Rogers, Renzo Piano, Helmut Jahn, Hans Kollhoff bis gmp seine Eigenständigkeit beweist.
Hinter der extravaganten Fassade mit konvex und konkav zulaufender Linienführung, die mit der Scharfkantigkeit der Aluminiumbleche und der Stufenfalzverglasung ohne Laibung höchste Präzision zeigt, dienen drei Ebenen als Ausstellungsflächen für die mediale und konkrete Präsentation modernster Produkte. Verschiedene Schulungs- und Konferenzräume sowie eine Anlaufstelle für die interdisziplinäre Kommunikation zwischen Ärzten, Patienten, Therapeuten, Orthopädie-Technikern und Hersteller komplettieren das anspruchsvolle Raumprogramm.
Die Grundrisszonierung im Kern mit einem windmühlenartigen Erschließungssystem ermöglichte die Planung unterschiedlicher Raumgrößen. Dabei sind die Nutzflächen an der Peripherie und entlang der umseitig verglasten Hülle so angeordnet, dass eine raumtiefe Tageslichtversorgung mit einer hohen Aufenthalts- und Arbeitsplatzqualität garantiert ist.
Ziel der Architekten war, die weit entwickelte Ästhetik des Industriedesigns und der Medizintechnik auf das Bauvorhaben zu übertragen. Denn Dynamik, Präzision und funktionales Design sind Eigenschaften, die den Weltmarktführer für Orthopädietechnik aus Duderstadt repräsentieren und auch den neuen Standort in Berlin charakterisieren.
Architekten: Gnädinger Architekten, www.gnaedinger-architekten.de
Projekt: Science Center Medizintechnik, Berlin
Bauherr: Otto Bock HealthCare Deutschland GmbH, Duderstadt
Projektleiter: Christoph Claus
Fertigstellung: Juni 2009