Wie lassen sich ambitionierte Umweltziele mit den Anforderungen moderner Arbeitswelten vereinen? Das ehemalige Sony Center am Potsdamer Platz zeigt, wie es geht: 93 % CO₂-Einsparung durch eine konsequente Re-Use-Strategie, die Materialien erhält und wiederverwendet. So entsteht ein zukunftsweisender Office-Campus, der Klimaschutz und moderne Arbeitswelten verbindet. Antworten gibt Benjamin Gschnell, Geschäftsführer von Oxford Properties Germany, der das Projekt leitet.
INTERVIEW mit Benjamin Gschnell
Architekturzeitung: Das Center am Potsdamer Platz wird umfassend saniert – mit einer starken Re-Use-Strategie. Was bedeutet dieser Ansatz konkret für das Projekt? Welche Bauteile und Materialien konnten wiederverwendet werden und welche Auswirkungen hat das auf die Nachhaltigkeitsbilanz?
Benjamin Gschnell: Das ehemalige Sony Center ist eine Architektur-Ikone. Doch nach 25 Jahren haben sich die Anforderungen an Büro-Immobilien und Stadtquartiere grundlegend verändert. Die Sanierung setzt deshalb auf eine zukunftsfähige Neukonzeption – mit einem klaren Fokus auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Re-Use-Strategie ist dabei eine zentrale Säule: Von Glastrennwänden über Beleuchtungskörper, Bodenkonvektoren bis hin zu Naturstein-Fliesen nutzen wir so viele Materialien wie möglich erneut.
Das hat spürbare Auswirkungen auf unsere CO₂-Bilanz: Ein eigens gestalteter Showroom benötigte 96 % weniger CO₂ als ein Neubau und sogar 56 % weniger als eine klassische Sanierung – ohne die zusätzlichen Einsparungen durch vermiedene Lieferketten und Neuproduktion einzuberechnen. Die DGNB-Platin-Zertifizierung unterstreicht diesen Ansatz. Bestandsgebäude haben es in puncto Nachhaltigkeit oft schwerer als Neubauten, doch Das Center am Potsdamer Platz beweist, dass auch eine ikonische Bestandsimmobilie neue energetische Maßstäbe setzen kann.
Architekturzeitung: Welche Herausforderungen bringt die Wiederverwendung von Materialien mit sich – gerade in einem ikonischen Gebäude dieser Größenordnung?
Benjamin Gschnell: Ganz klar, die Wiederverwendung von Materialien bringt auch Herausforderungen mit sich. Jedes Bauteil muss erfasst, geprüft und der richtige Partner für die Aufbereitung gefunden werden – das erfordert eine präzise Planung und viel Koordination. Der selektive Rückbau ist aufwendiger als eine herkömmliche Entsorgung, braucht spezialisierte Fachfirmen und kostet mehr. Jedoch in Gänze betrachtet, wesentlich kostengünstiger als die Verwendung von neu hergestellten Produkten.
Auch die Logistik ist nicht ohne. Ein Beispiel: 10.000 qm Trennwände, die wir wiederverwenden möchten, müssen erst mal gelagert werden, bevor sie wieder verbaut werden können – da braucht es Platz und eine kluge Strategie. Und dann ist da noch das Design: Das Interior von heute sieht anders aus als vor 25 Jahren. Materialien müssen also optisch und funktional angepasst werden.
Trotz all dieser Herausforderungen zeigt Das Center am Potsdamer Platz, dass eine konsequente Re-Use-Strategie nicht nur machbar, sondern der Schlüssel für nachhaltige Stadtentwicklung ist – und sein muss.
Architekturzeitung: Wie lässt sich ein Bestandsgebäude modernisieren, ohne seinen architektonischen Charakter zu verlieren?
Benjamin Gschnell: Zuallererst: Das markante Dach bleibt unverändert, wodurch die ikonische Silhouette des Gebäudes bestehen bleibt. Es wäre fatal, wenn diese besondere Architektur-Ikone unter der Modernisierung leiden würde. Was mögliche Veränderungen an der Außenfassade anbelangt, sind wir in enger Abstimmung mit Jahn Architekten, die schon vor 25 Jahren für den Bau des Sony Centers verantwortlich waren. So gibt es ein neues Element im Forum, ein kreisrunder Pavillon, der sich harmonisch in die Architektur integriert. Ansonsten konzentriert sich die Modernisierung des Centers vor allem auf die Innenräume. Der ursprüngliche Charakter bleibt also bewahrt.
So prägen ESG-Kriterien das Center am Potsdamer Platz
Architekturzeitung: Oxford Properties setzt in seinen Projekten auf ESG-Kriterien. Wie wurde dieser Ansatz bei der Sanierung des Centers konkret umgesetzt?
Benjamin Gschnell: Ein wichtiger Fokus liegt auf der technischen Modernisierung – alle haustechnischen Anlagen, also auch die gesamte Gebäudeleittechnik, das Gehirn des gesamten Centers, wurden und werden weiterhin erneuert, um den Energieverbrauch zu optimieren und das Gebäude zukunftsfähig zu machen. Doch mindestens genauso wichtig ist der soziale Aspekt. Berlin ist eine Stadt voller Kreativität und Initiativen. Mitten in Berlin möchten wir genau diesen Berliner Initiativen und Vereinen Raum geben, um ihre Veranstaltungen und Projekte zu realisieren. Dafür bieten wir unsere Flächen kostenfrei an. So entsteht ein lebendiger Treffpunkt, der durch die Menschen der Stadt selbst geprägt wird. Auch das neue Entertainment- und Gastronomiekonzept fördert Begegnung und Gemeinschaft und macht Das Center am Potsdamer Platz zu einem Ort des Austauschs mitten im Herzen Berlins.
Architekturzeitung: Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um den CO₂-Fußabdruck des Centers zu reduzieren – über die Re-Use-Strategie hinaus?
Benjamin Gschnell: Zentraler Hebel, um den CO₂-Fußabdruck des Centers nachhaltig zu senken, ist die Modernisierung der haustechnischen Anlagen. Im gesamten Gebäude haben wir veraltete Systeme durch energieeffiziente Technik ersetzt – von Heizung, Kühlung und Lüftung bis zur Beleuchtung. Ein besonders wirkungsvolles Beispiel ist die komplette Umstellung von Halogen auf LED, unter anderem in der 30.000 qm großen Tiefgarage, wodurch der Energieverbrauch um rund 35 % reduziert wurde – eine Einsparung, die sofort spürbar war.
Architekturzeitung: Moderne Büro-Campi müssen mehr sein als nur Arbeitsorte. Wie wird im Center eine nachhaltige, gemeinschaftliche Arbeitskultur gefördert?
Benjamin Gschnell: Arbeiten allein reicht heute nicht mehr – ein moderner Campus muss Leben und Begegnung ermöglichen. Genau das passiert im Center am Potsdamer Platz: Sport, Kultur, Entertainment, Kunst und Gastronomie schaffen Orte, an denen Menschen zusammenkommen – auch über die Arbeitszeit hinaus. Und das Beste daran? Nicht nur Mieter profitieren, sondern alle Berliner können diesen besonderen Ort mitgestalten.
Solche Strukturen wachsen nicht über Nacht. Es braucht Zeit und vor allem gute Kommunikation, damit die Angebote auch ankommen. Aber das Ziel ist klar: Ein lebendiger Campus, der nicht nur nachhaltige Büros bietet, sondern auch echte Gemeinschaft fördert – mitten in Berlin.
Architekturzeitung: Welche Rolle spielen langfristige Nachhaltigkeitsstrategien in der Projektentwicklung von Oxford Properties?
Benjamin Gschnell: Oxford Properties verfolgt eine klare Nachhaltigkeitsstrategie, die fest in unserer Unternehmensphilosophie verankert ist. Seit 2015 haben wir die CO₂-Intensität unseres Portfolios bereits um 35 % reduziert und setzen konsequent auf umweltfreundliche Lösungen. Unser langfristiges Ziel: Bis 2050 soll unser gesamtes Portfolio klimaneutral sein. Dafür machen wir bestehende Gebäude nachhaltiger, setzen auf neue Technologien und optimieren den Energieverbrauch. Nachhaltigkeit ist für uns kein Zusatz, sondern ein zentraler Bestandteil jeder Projektentwicklung.
Mit Flexibilität und Vielfalt zum Büro-Campus der Zukunft
Architekturzeitung: Durch die umfassende Transformation wird Das Center zu einem neuen urbanen Büro-Campus. Welche Trends und Bedürfnisse treiben diese Entwicklung an – und wie spiegelt sich das in der Neugestaltung wider?
Benjamin Gschnell: Die Pandemie hat die Transformation der Arbeitsweise enorm beschleunigt. Weniger Präsenzzeit, mehr Homeoffice und der Wunsch nach Flexibilität haben das Büro neu definiert – weg vom reinen Arbeitsplatz, hin zum Ort für Austausch, Kreativität und Zusammenarbeit.
Wir sehen, dass Unternehmen darauf reagieren, indem sie weniger feste Arbeitsplätze, aber mehr inspirierende Begegnungsorte schaffen: Eventspaces, Playrooms, offene Küchen und Bereiche für spontane Zusammenarbeit. Wer ins Büro kommt, will nicht nur arbeiten, sondern brainstormen, netzwerken und sich mit anderen austauschen. Genau darauf setzen wir bei der Neugestaltung des Centers am Potsdamer Platz – ein Büro-Campus, der verbindet, inspiriert und die neue Arbeitskultur erlebbar macht.
Architekturzeitung: Die Büroflächen im Center stammen aus einer Zeit, in der die Anforderungen an Arbeitswelten ganz anders waren als heute. Wie gelingt es, mit einer nachhaltigen Sanierung diese Flächen an moderne Bedürfnisse anzupassen?
Benjamin Gschnell: Wie schon erläutert, haben sich die Anforderungen an Büros grundlegend gewandelt. Heute stehen mehr Austausch, mehr Flexibilität und mehr Raum für Entspannung im Fokus. Einzelbüros weichen offenen Loungebereichen, die spontane Begegnungen und kreatives Arbeiten ermöglichen.
Nachhaltigkeit bedeutet hier nicht nur ökologische Verantwortung, sondern vor allem eine langfristig funktionierende Arbeitswelt. Die neuen Flächen sind flexibel gestaltbar und passen sich veränderten Anforderungen an – ein Konzept, das Bestand hat. Allein die Neukonzeption zeigt, dass sich auch ein Bestandsgebäude erfolgreich an die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt anpassen kann.
Architekturzeitung: Das Architekturbüro KINZO war an der Gestaltung beteiligt. Welche neuen Ansätze wurden verfolgt, um nachhaltiges Design mit Funktionalität zu verbinden?
Benjamin Gschnell: KINZO hat Das Center am Potsdamer Platz mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und modernes Design neu gedacht. In der Lobby in Bauteil D zum Beispiel wurden Oberflächen aus Eichenholz und Terrazzo eingesetzt, die nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch langlebig und nachhaltig sind.
Besonders wichtig war es, die Natur ins Gebäude zu holen: Üppige Schlingpflanzen und Grünflächen sorgen nicht nur für eine angenehme Atmosphäre, sondern dienen auch als natürlicher CO₂-Speicher. Damit greift das Design die Nähe zum Tiergarten auf und schafft eine Verbindung zwischen der Architektur des Centers und der grünen Umgebung Berlins. So entsteht eine Arbeitswelt, die nachhaltige Gestaltung mit urbaner Natur vereint.
Architekturzeitung: Flexibilität ist ein Schlüsselfaktor für moderne Büroflächen. Welche Konzepte wurden entwickelt, um den Mietern größtmögliche Anpassungsmöglichkeiten zu bieten?
Benjamin Gschnell: Wir wissen, dass sich die Anforderungen an Büroflächen ständig ändern. Deshalb haben wir das Center so gestaltet, dass Flächen flexibel getrennt oder sogar geviertelt werden können – je nach Bedarf. Unternehmen haben so die Möglichkeit, ihre Räume optimal zu nutzen und bei Wachstum unkompliziert zu erweitern.
Auch bei den Mietdauern setzen wir auf mehr Flexibilität: Längere Laufzeiten für Stabilität, aber auch angepasste Modelle für mehr Beweglichkeit. So schaffen wir einen Büro-Campus, der nicht nur heute funktioniert, sondern sich auch an die Arbeitswelt von morgen anpassen kann.
Das klassische Pendeln mit dem PKW war gestern – heute zählt smarte, nachhaltige Mobilität. Immer mehr Menschen setzen auf ÖPNV und Fahrrad, während Autoparkplätze immer weniger genutzt werden. Genau darauf haben wir reagiert: Unsere neue, größtenteils kostenfreie Bike-Garage mit E-Chargern bietet sichere Stellplätze und macht den Umstieg aufs Rad noch attraktiver.
Auch Bewegung spielt eine immer größere Rolle im Arbeitsalltag – nicht nur durch den Weg ins Büro, sondern auch durch Sportevents, die zum Beispiel unser Fitness Experience Hub anbietet. Deshalb haben sich viele Mieter Duschen in ihre Flächen einbauen lassen, damit Mitarbeitende nach dem Workout oder Arbeitsweg frisch in den Tag starten können.
Es gibt viel zu feiern
Architekturzeitung: 2025 wird ein besonderes Jahr für Das Center. Welche Meilensteine und Highlights stehen an?
Benjamin Gschnell: 2025 wird ein Jahr voller Highlights für Das Center am Potsdamer Platz – und für Berlin! Am 14. Juni feiern wir unser 25-jähriges Jubiläum mit einem Programm, das Berliner und alle Besucher einlädt, diesen besonderen Ort neu zu entdecken. Passend dazu feiert auch das Lindenbräu, welches im Center als Berlins erstes Hofbräuhaus bekannt wurde und seit dem Jahr 2000 Mieter ist, sein 25-jähriges Bestehen. Ein weiteres großes Highlight im Mai: die Eröffnung der KERB Foodhall, die mit einer coolen kulinarischen Vielfalt und lokalen Streetfood-Anbieter für ein echtes Geschmackserlebnis sorgt. Dazu kommen zahlreiche Events von Berliner Initiativen, die das Center mitgestalten und beleben. Es wird ein ereignisreiches, buntes Jahr. Wir freuen uns drauf.
Bilder: Studio Odey