Die Architektenkammer Berlin ruft anlässlich der Medienberichte der vergangenen Tage zu städtebaulichen Vorhaben in Berlin zu einem neuen Diskurs über die Planungsprozesse auf. Drei zentrale Orte – die historische Mitte, das so genannte Kulturforum und das Quartier am Flughafen Tempelhof – sind von eminenter Bedeutung für Berlin. Es ist Aufgabe der zuständigen Senatsverwaltung, diesen breit angelegten Diskurs in die Hand zu nehmen, der mit Fachleuten aus Architektur, Stadtplanung, Verkehrsplanung und Landschaftsarchitektur, gemeinsam mit den interessierten Bürgerinnen und Bürgern und Beauftragten der Parteien geführt wird.
Historische Mitte mit Rathausforum und Alexanderplatz
Der Forderung nach einem neuen Masterplan für den Alexanderplatz haben sich inzwischen mehrere Fachleute und Institutionen angeschlossen. Hier sollte ein schlüssiges Gesamtkonzept unter Berücksichtigung der vorhandenen Qualitäten sowohl für die ehemalige historische Mitte, als auch für den Alexanderplatz und die umgebenden Wohnviertel gefunden werden. Mittel dafür sind in den Haushalt eingestellt, nun müssen sie richtig eingesetzt werden.
Neues Quartier am Flughafen Tempelhof mit Zentral- und Landesbibliothek
Auch zur Bebauung am Südrand des Tempelhofer Feldes war dieser Tage in den Medien eine Simulation von geplanten Wohnblöcken veröffentlicht, die den Eindruck erweckte, die städtebaulichen Planungen seien dort bereits abgeschlossen. Das Image einer innovativen Smartcity ging von diesem Bild jedoch nicht gerade aus, daran muss ganz offensichtlich noch gearbeitet werden. Im Zusammenhang mit dem Wettbewerb »Einbindung der Zentral- und Landesbibliothek« wurde von der Senatsverwaltung bereits vor einigen Monaten ein nachfolgender städtebaulicher Realisierungswettbewerb zugesagt. So möchte die Architektenkammer Berlin die Aussage des Bausenators dahingehend verstanden wissen, dass die Zeit der Volksabstimmung über »100% Tempelhof« nun für diesen notwendigen Planungs- und Diskussionsprozess genutzt wird. Hierbei wäre unter Einbeziehung der betroffenen Bezirke noch einmal grundsätzlich zu prüfen, wie weit und mit welcher Dichte die Ränder der zentralen Freifläche für Wohnungsbau und andere Nutzungen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Kulturforum mit der Erweiterung der Nationalgalerie
Beim Kulturforum ist der Beschluss, mit einem Erweiterungsbau neben der Nationalgalerie diesen Standort zu stärken, als Schritt in die richtige Richtung zu werten. Die Chance zu einer Neuordnung der Situation darf hier nicht abermals verpasst werden. Die private Initiative von Stefan Braunfels, der dazu eine ältere Planung noch einmal aktualisiert und veröffentlicht hat, zeigt bei aller Kritik an der Planung selbst, dass dieser Bedarf besteht.
Das Pendant zur Museumsinsel müsste dabei eine »Kulturlandschaft« im Sinne Scharouns werden, in der die beiden prominentesten Bauwerke Berlins zur Geltung gebracht werden, anstatt Gründerzeitstrukturen oder Speersche Gedankenspiele zu rekonstruieren.
Bei allen drei Standorten stellt sich die Frage, wie man angesichts der Flut an Bildern, vielen persönlichen Äußerungen und Vorschlägen nun zu abgestimmten und transparenten Planungsprozessen kommt, die sich auf einem hohen fachlichen, ästhetischen und damit zukunftsfähigen Niveau bewegen. Die deutsche Planungskultur, um die uns international viele beneiden, sieht dafür breit angelegte interdisziplinäre städtebauliche Wettbewerbe oder Ideenwettbewerbe vor, die mit Bürgern und Interessierten diskutiert werden. Der sehr erfolgreiche Planungsprozess für den hoch gelobten Park am Gleisdreieck in Kreuzberg/Schöneberg hat gezeigt, wie es gehen kann. Könnte dieses Modell nicht zum Vorbild für Berliner Planungs- und Prozesskultur werden?
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