Die Forschung bzw. Ausstellungstätigkeit über »WChUTEMAS«, das russische Pendant zum »Bauhaus«, hatte Anfang der 1970er Jahre begonnen. Damals freilich noch ganz im Bann des Kalten Krieges wurde sie vor allem außerhalb der Sowjetunion betrieben. Den Rang von Kunstwerken mochte man dort den Exponaten offenbar nicht zubilligen und eine gewisse Ablehnung dem Konstruktivismus gegenüber scheint es in dessen Mutterland immer noch zu geben, so betonte Irina Korobina, die Direktorin des Moskauer »Schusev State Museum of Architecture«, jedenfalls die aktuellen Probleme, Gelder zur Erhaltung der Baudenkmale anzuwerben. Ferner mahnte Sie den fehlenden Willen der Behörden an, juristische Probleme im Umgang mit dem revolutionären Architekturerbe zu lösen, das seinerzeit den Aufbruch der sozialistischen Sowjetunion verkörpern wollte.
Diesen Punkt schneidet auch Jean-Louis Cohen in seinem Katalogbeitrag an und weist auf die äußerst heterogene Gemengelage der verschiedensten Avantgardistenkollektive hin, die allesamt ihr eigenes Programm verfolgten (z.B. ASNOWA, OSA, WOPRA, ARU oder auch OSA-später SASS genannt). Offenbar genügte es mancher Gruppe durchaus, hier und da einen Teil der Fassade zu verglasen, während Wladimir Tatlin mit dem »Denkmal der III. Internationale« von einem 400 Meter hohen Turm aus Stahl träumte. Ein Motiv, dass wohl neben Kasimir Malewitsch mit seinem »Schwarzen Quadrat« jedem Interessierten beim Stichwort Konstruktivismus schnell in das visuelle Gedächtnis kommen dürfte. Nicht zu vergessen natürlich der »Wolkenbügel« (1925) von El Lissitzky, der möglicherweise den in der Ausstellung gezeigten Brückenübergängen am Charkower »Gosprom-Gebäude« von 1929 als Inspiration gedient haben könnte.
Zu entdecken gibt es also für den Kundigen noch einiges und umso mehr für Diejenigen, die bislang kaum oder gar nicht mit dem in Russland offenbar ungeliebten Stiefkind der früh-sozialistischen Geschichte in Berührung gekommen sind. Die Schau »Baumeister der Revolution Sowjetische Kunst und Architektur 1915-1935. Mit Fotografien von Richard Pare« ist noch bis zum 9. Juli im Berliner »Martin-Gropius-Bau« zu sehen. Im Rahmen des »Gallery Weekend« am Freitag, 27. April und Samstag, 28. April wird von 10 - 22 Uhr geöffnet sein.
Der Katalog ist im Mehring Verlag erschienen (ca. 270 Seiten, 250 Abbildungen). Er kostet als Museumsausgabe € 25,00 und später im Buchhandel € 39,90.
Autor: Christian J. Grothaus, Architekt und freier Autor mit Fokus auf Musik, Philosophie, (Bau-) Kunst und Ästhetik, www.logeion.net