BIM (Building Information Management) ist derzeit eines der Schlagworte schlechthin in der Baubranche. Jedoch fehlt es an Einigkeit, was hierunter zu verstehen ist. Auf dem Weg zur Standardisierung hat nun eine Arbeitsgruppe erstmals die gemeinsame Datenumgebung (CDE – Common Data Environment) anhand konkreter Leistungsbeschreibungen definiert und damit die Basis für eine Standardisierung von BIM gelegt. Frank Weiß, Direktor New Products, BIM & Innovation bei Oracle Construction & Engineering, war von Anfang an in die Diskussion und die Erarbeitung der Pränorm DIN SPEC 91391 eingebunden.
Redaktion: Herr Weiß, warum ist es für die Zukunft von BIM so wichtig, dass jetzt erstmals ein deutscher Standard existiert?
Frank Weiß: Die Pränorm DIN SPEC 91391 ist deshalb so wichtig, weil es bisher kein ein einheitliches Verständnis darüber gibt was eine gemeinsame Datenumgebung (CDE – Common Data Environment) ist. Die neue DIN SPEC 91391 definiert erstmals alle Leistungsbeschreibungen und dekliniert diese auch konsequent durch. Unterschieden wird in der angehängten Funktionsliste dabei zwischen Muss- und Kann-Kriterien, insgesamt sind rund 200 dieser Kriterien in der DIN SPEC definiert. Sie beschreiben sowohl den Mindestumfang als auch mögliche Zusatzfunktionalitäten einer CDE. Somit bekommen Auftraggeber sowie Projektpartner ein besseres Verständnis vom erforderlichen und zweckmäßigen Funktionsumfang einer CDE. Dadurch hilft sie bei der Auswahl und Bestellung entsprechender von CDE-Anbietern.
Redaktion: Auf welchen Geltungsbereich bezieht sich die jetzt vorgenommene Standardisierung?
Frank Weiß: Die DIN SPEC 91391 beschreibt die Anforderungen für Datenumgebungen von BIM-Projekten. Dies betrifft Funktionssätze und den offenen Datenaustausch zwischen Plattformen verschiedener Hersteller. Werden CDEs unterschiedlicher Hersteller im selben Bauprojekt eingesetzt, muss ein verlustfreier Datenaustausch garantiert werden. Die DIN SPEC 91391 beschreibt daher ein Schnittstellenkonzept für den Datenaustausch zwischen Projektplattformen und definiert dafür Datenstrukturen.
Redaktion: In welchem Zeitraum erwarten Sie, dass die DIN SPEC veröffentlicht wird?
Frank Weiß: Ich gehe davon aus, dass die DIN SPEC offiziell im Februar 2019 veröffentlicht wird. Dann wird sie für alle auf der Website des Deutschen Instituts für Normung online abrufbar sein.
Eine Vornorm wie die DIN SPEC 91391 (SPEC steht dabei für „specification“) ist ein typisches Element, um Dinge, die eines Standards bedürfen, schneller zu vereinheitlichen. Normalerweise dauert es sehr lange, Standards auszuarbeiten. Durch die Spezifikation wird dieser Prozess beschleunigt, im besten Fall wird die DIN SPEC dann genauso oder wenigstens in ihren Grundlagen übernommen.
Redaktion: Was wird der Inhalt dieser DIN SPEC sein?
Frank Weiß: Die insgesamt 80 Seiten lassen sich in zwei Teile gliedern. Zunächst wird das Konzept beschrieben, das heißt wir schaffen Klarheit und Einigkeit über die Grundsätze der CDE. Dabei haben wir natürlich auch viele Schlagworte noch einmal definiert, zum Beispiel Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), BIM-Abwicklungsplant (BAP), Workflow, Datenmodell, Datenintegrität und so weiter und diese in Bezug zum BIM Level 2 und Level 3 gebracht.
Der zweite Teil entwirft ein Konzept, wie der maschinelle Austausch sein soll, also wie die offenen BIM-Formate (oder auch Open CDE) aussehen sollten, damit sie von allen Projektpartnern genutzt werden können.
Die drei Basispfeiler der DIN SPEC 91391 sind Lieferprinzip und Neutralität (Datenaustausch zwischen Organisation nur durch Prozesse und Bezug zum Vertrag im Projekt, kein „Big-Bother“), Sicherheit dieser Daten vor Missbrauch sowie offene Formate.
Redaktion: Wird die Standardisierung Einfluss auf den ISO 19650-Standard haben und wenn ja welchen?
Frank Weiß: Die ISO 19650 ist, genauso wie der britische Vorläufer PAS 1192, aber auch die deutsche Richtlinie VDI 2552, die Grundlage für die Erarbeitung der neuen DIN SPEC. Die neue Pränorm spezifiziert Bereiche, die nicht von anderen BIM-relevanten Normen beschrieben werden. Es ist quasi eine Spezifizierung der ISO 19650 für Deutschland mit Fokus auf die CDE und deren Schnittstellen, denn die ISO ist ein internationaler Standard.
Redaktion: Ist Deutschland Vorreiter bei der BIM-Standardisierung? Wie ist der aktuelle Stand in den europäischen Nachbarländern respektive weltweit?
Frank Weiß: Es gibt bereits andere Standards, zum Beispiel die bereits erwähnte britische Norm PAS 1192, die die Anforderungen an den Detaillierungsgrad des Modells (den grafischen Inhalt), die Modellinformationen (nicht grafischen Inhalt, z. B. Spezifikationsdaten), die Modelldefinition (seine Bedeutung) und Modellinformationsaustausch spezifiziert. Zudem gibt es die international anerkannte ISO 19650-1:2018, die jüngste Wiederholung in der ISO 19650-Serie. Diese deckt die Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Gebäuden und Tiefbauarbeiten ab, einschließlich Building Information Modeling (BIM), also das Informationsmanagement mithilfe von Building Information Modeling.
Unsere Arbeit an der DIN SPEC 91391 hat aber trotzdem Vorreiter-Charakter, da auch andere Staaten wie die USA oder Japan bereits interessiert sind an den Ergebnissen der Norm und diese eventuell zukünftig für ihre eigenen Entwürfe nutzen wollen. Deshalb hat unsere Initiative die DIN SPEC 91391 vorsorglich nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch verfasst. Es ist uns daran gelegen, den weltweiten Austausch zu fördern und die Entwicklung der Baubranche voranzutreiben.
Redaktion: Wann ist mit einem weltweit einheitlichen Standard für die Anwendung von BIM zu rechnen?
Frank Weiß: Die ISO 19650-Serie ist ein internationaler Standard für die Verwendung von BIM, deckt jedoch nur die Organisation und Digitalisierung von Informationen zu Gebäuden und Tiefbauarbeiten ab, einschließlich Building Information Modeling (BIM). Es ist nicht spezifisch für gängige Datenumgebungen und Datenaustausch zwischen Plattformen verschiedener Hersteller, was wir als offenen BIM-Standard bezeichnen. Unser Ziel mit der DIN SPEC 91391 ist es, hier viel spezifischere Vorgaben zu schaffen – das erkennt man ja bereits an den über 200 Kriterien der Leistungsbeschreibungen, die wir definiert haben.
Redaktion: Ist BIM ein Thema nur für Großkonzerne oder wird es durch die Standardisierung im Mittelstand zu einer größeren Verbreitung kommen?
Frank Weiß: Die Digitalisierung schreitet überall in unserem Leben und in anderen Industrien exponentiell voran. Durch die besseren Wertschöpfungschancen ist es für die gesamte Bau- und Ingenieursbranche ein Thema, von kleinen bis großen Unternehmen, bspw. eine höhere Transparenz über den Fortschritt im Bauprozess, eine natürlichere Arbeitsmöglichkeit in 3D als in 2D, aber auch bessere Einsichten in Lieferantenverträge. Zudem sind mit CDEs alle Projektparteien auf dem gleichen Wissensstand und haben jederzeit Zugriff auf die gemeinsam geteilten Daten. Wir schaffen ein Ökosystem für eine leichtere und bessere Zusammenarbeit.
Redaktion: Geht mit der Standardisierung eine Qualifizierung von Bauunternehmen einher, die künftig nach dem neuen Standard arbeiten?
Frank Weiß: Die DIN Spec fokusiert sich auch Anforderungen an eine CDE und deren Einsatz in Projekten. Damit hat sie auch Bedeutung für Auftraggeber und alle Projektpartner inkl. Bauunternehmen. Eine Qualifizierung ist hier eher bei den CDE Anbietern zu sehen, da überprüft werden kann, ob die Leistungsmerkmale vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden können.
Redaktion: Die Bundesregierung hat sich für die Förderung von BIM ausgesprochen. Wird die Standardisierung daher künftig Einfluss auf die Vergabe öffentlicher Bauaufträge haben?
Frank Weiß: Die DIN SPEC 91391 wird sicherlich als Orientierung dienen. Wenn neue Projekte ausgeschrieben werden wird das Verständnis erhöht warum man eine CDE benötigt und was diese leisten können soll. Somit kann die CDE als notwendige Baustein frühzeitig berücksichtigt werden. Die DIN SPEC 91391 ist dann wie eine Art Checkliste, ob alle relevanten Punkte in einer Ausschreibung berücksichtigt worden sind. Außerdem sind natürlich auch die beiden weiteren Pfeiler der DIN SPEC 91391, also Datenneutralität und Sicherheit in der CDE, essentielle Voraussetzungen für öffentliche Bauaufträge.
Frank Weiß, Direktor New Products, BIM & Innovation bei Oracle Construction & Engineering