Die Etablierung von „Building Information Modeling“ (BIM) in Ingenieur- und Architekturbüros kommt für viele Mitarbeiter einer Herausforderungen gleich. Mögliche Widerstände sind vielfach begründet; z. B. Überforderung, Unflexibilität, Überarbeitung. Allesamt überwindbare Hürden!
Es sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit Building Information Modeling funktioniert. Zur Erinnerung: BIM ist eine Methode und keine Software! Die meisten BIM-Neulinge müssen einen Wandelprozess durchlaufen. Als hilfreich hierzu haben sich systemische Ansätze erwiesen.
Deren Vorteil ist, dass es klare Parameter gibt, die zunächst gefunden und später optimiert werden können. Man weiß also, was man tut. Sollte sich das gewünschte Ergebnis nicht einstellen, kann man an Stellschrauben drehen. Was sich vielleicht mechanistisch anhört, ist es nur auf den ersten Blick.
Ein Individuum bewegt sich zumeist in Kontexten. Ein Architekturbüro kann ebenfalls als spezieller Kontext beschrieben werden. Es kooperiert und koordiniert dazu intern bestimmte Leistungen. Das Büro erscheint damit auch als formalisiertes soziales System, das aus Stellen, Kommunikationen, Regeln und einer Grenze zur Umwelt besteht.
Die Büroleitung, respektive das Management, hat nun die Aufgabe, eine Strategie in eine organisierte Kooperation umzusetzen, damit die speziellen Leistungen entstehen. Die Bürostruktur wiederum reagiert simultan mittels Kommunikationswegen, diversen Anlaufstellen bzw. Betriebsfunktionen. Die Stimmung, Atmosphäre, der Geist lassen sich unter „Kultur“ summieren. Sie ist es auch, die latente, formale und informelle Regeln erlässt, anwendet und selbstverständlich auch auf das Management einwirkt.
Soll nun Veränderung passieren, muss sich dieses Geflecht in Gänze (!) bewegen. Ein Prozess, der neben gründlicher Analyse auch viel Fingerspitzengefühl und Intuition erfordert. Was können nun Veränderungen sein? Personalgewinnung, Kompetenzerhöhung, Organisationsänderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen, neuartige Kunden bzw. Projekte und natürlich auch Wandel der Arbeitsanforderungen.
Arbeitsfelder und Phasen des Wandels
Womit wir beim Thema wären: die Etablierung von Building Information Modeling als neuer Methode. Soll die Einführung klappen, braucht es einen geplanten Wandel, der die gesamte (!) Organisation umfasst. Einen Wandel, der ganzheitlich wie systematisch die o.g. Felder Strategie, Struktur und Kultur mit professionellen Methoden bearbeitet und relevante Mitarbeiter dabei einbezieht.
So weit so gut, aber was soll die ganze Anpasserei, fragen Sie sich vielleicht. Warum jeder Neuerung hinterherlaufen und dafür auch noch die gesamte Bürostruktur umwandeln? Natürlich kann man sich einer Veränderung entgegenstemmen, muss aber die Konsequenzen in Kauf nehmen. Bedenken sollte jeder Verantwortliche, dass ein Unternehmen nicht nur selbst ein System ist, sondern auch in weiteren eingebunden agiert. Mit diesen operiert es und ist von ihnen abhängig. Die unternehmerischen Parameter variieren also entscheidend auch über äußere Einflüsse.
Es ist eine pragmatische Herangehensweise, Neuerungen zu bewerten und die entscheidenden in das eigene Konzept zu integrieren. Veränderungsprozesse beginnen also mit dem Abgleich zwischen der unternehmerischen Umwelt und der eigenen Organisation. Dieser Prozess sollte permanent laufen. „Die Nase im Wind zu haben“ ist eine Tugend, die jedem Verantwortlichen gut zu Gesicht steht.
In der systemischen Beratung spricht man von typischen Phasen im Umgang mit Wandel: erstens Planung und zweitens dem Schock, dass sie keine oder nur schlechte Ergebnisse zeitigt. Drittens, der Abwehr gegen eigene Organisationsmängel, viertens deren rationale Akzeptanz, die gefolgt wird von fünftens der emotionalen. Die Phasen sechs bis acht beschreiben üblicherweise den Weg zur Integration über das Ausprobieren und die Erkenntnis des Potenzials. Sie sehen, ein mitunter langer Weg, der Offenheit, die Fähigkeit zur Selbstkritik und Lernwillen erfordert.
Das Schockerlebnis kann auf verschiedene Weisen entfaltet werden. Als Schuld, einiger oder eines Mitarbeiters und damit nicht systemisch bedingt oder aber als Fehler, der in der Organisation liegt. Im letzteren Fall gelingt der Anschluss an eine offene Haltung zu einem Wandelprozess naturgemäß besser. Der Schock ist also ein wichtiger Punkt und sollte jeden Unternehmer zum Nachdenken bringen.
Nach der Abwehr ist die rationale Akzeptanz der Neuerung/des Wandels der nächste Schritt in typischen Veränderungsprozessen. Flankiert wird dieser Vorgang durch Einbindung der Mitarbeiter, die allerdings genügend Zeit zur Reflexion bekommen müssen. Bewährt hat sich auch, Pilotprojekte zu initiieren, in deren Rahmen die Belegschaft die Vorteile des Wandels bzw. des neuen Sachverhaltes hautnah miterlebt.
Die rationale Akzeptanz ist am besten eingebettet in die spezielle Organisationskultur (formale, informelle und latente Regeln), denn auf dieser versachlichen Ebene kann eine realistischere Wahrnehmung des Notwendigen wachsen. Ist die Hürde genommen, richtet sich der Blick zumeist nach vorn und dem Neuen wird mit Neugier begegnet.
Die Bereitschaft zum Umlernen ist ein weiteres Begleitmoment der emotionalen Akzeptanz des veränderten Sachverhalts. Die letzten drei Phasen, nämlich Ausprobieren, Erkenntnis und Integration, geben den Rahmen, die Änderungen als sinnvoll zu erkennen und die Widerstände abzulegen. Unbedingt erforderlich sind hier verbindliche Führung und transparente Kommunikation auf Augenhöhe.
Soweit die Theorie, von der wir wissen, dass sie zumeist grau ist. So haben es auch die besten Pläne an sich, nicht linear abzulaufen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ein Wandelprozess als Projekt ernst genommen werden muss. Nicht nur der Anstoß, nicht nur die Gespräche, nicht nur die Seminare, sondern auch die permanente Begleitung und Analyse von Details während der Veränderung sind nötig. So ist auch gewährleistet, dass die Neuerung auf die spezielle Organisationsstruktur angepasst wird.
Wandel ist ein fortlaufender Prozeß
Eine Implementierungsstrategie kann dabei helfen, realistische Ziellinien zu definieren, die gleichzeitig Wege und Zeiten des Wandels beinhalten. Die oben genannten Pilotprojekte sollten dabei möglichst aus der Mitarbeiterebene bestimmt werden. So sind organisches Wachstum und Integration der Neuerung möglich.
Es gilt also, mit gutem Beispiel voran zu gehen, Mitarbeiter einzubinden, die den Wandel in möglichst vielen Bereichen gleichzeitig anstoßen, aber auch klare Linien dabei vorzugeben. Mein Tipp: betrachten Sie Ihren Wandelprozess als Projekt, legen eine Veränderungsarchitektur an und suchen Sie sich Fachleute, die Sie dabei begleiten.
Erinnern wir uns: soll Veränderung im Unternehmen oder auch Architekturbüro gelingen, muss sie ganzheitlich geschehen. Das gesamte Geflecht aus Strategie, Struktur und Kultur ist dabei angesprochen. Über die ersten beiden Punkte kann schnell Klarheit entstehen, der letzte aber ist schwieriger zu fassen.
Die Organisationskultur ist stets speziell, sie wird gelebt und besteht aus ungeschriebenen und auch festgelegten Gesetzten. Es lässt sich analysieren, welche Regeln formal, informell oder latent in Kraft sind. Formala wirken stets bewusst in der Wahrnehmung und die Scheidelinie zu unbewusstem Umgang liegt im informellen Bereich. Die latenten Regeln wiederum stellen die verborgenen Stellgrößen einer Organisationskultur dar.
Wandel – aber wie?
Es gilt also, das Geflecht in Bewegung zu setzen – aber wie? Die Strategie entwicklen Sie aufgrund von Analysen der Umwelt in Hinblick auf Ihre Organisation. Eine Vision gehört dazu. Struktur wiederum ändern Sie, indem Rollen, Aufgaben, Prozesse neu festgelegt werden und Kultur braucht Vorbilder, Pilotprojekte und die bewusste Bewertung, ggf. verborgener, latenter Regeln, die die Organisation behindern.
Denken Sie an die Beteiligung. Mitarbeiter sind Ihre wichtigsten Ressourcen. Vergessen Sie aber nicht, auch direkte und klare Vorgaben zu geben bzw. legen verschiedene Pilotprojekte an, damit sich die Änderung schneller verbreiten kann und besser angenommen wird. Ängsten vor dem Wandel wirken Sie mit einer positiven Vision entgegen und auch, wenn die Mitarbeiter Ihnen vertrauen können.
Spielen wir zum Schluss das Ganze für die Umstellung eines Architekturbüros auf BIM durch. Sie haben die Umwelt analysiert, die Entscheidung für die neue Methode getroffen und gehen mit positiven Visionen an das Thema heran. Sie kennen Ihre Strukturen und gliedern Prozesse, Personal, Kommunikation entsprechend. Sie wissen um Ihre spezielle Organisationskultur und können bewerten, welche unbewussten Regeln BIM im Wege stehen.
Nun mischen Sie Partizipation mit klaren Vorgaben und legen viele kleine Veränderungspilotprojekte an. Das wären z. B. BIM-Schulungen, Teile aus Projekten – zunächst zur Übung, dann auch im scharfen Durchgang. Sie gehen mit gutem Beispiel voran, reden mit Ihren Leuten und erinnern sich an die typischen Abwehr-Mechanismen. Sie wissen um den Schock und sehen der Integration gelassen entgegen.
Der Autor, Hagen Schmidt-Bleker, ist Vorstand der formitas AG.