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Mi, Nov

Vorbereitung auf die Zukunft: der Solar Decathlon Europe SDE21

Fachartikel

 

Im 21. Jahrhundert steht die Menschheit an einem Wendepunkt: Wir überschreiten die Grenzen des Planeten, während der Umzug der Menschheit in die Städte in vollem Gange ist. Rund 40 Prozent des Energieverbrauchs der EU werden durch Gebäude erzeugt. Darüber hinaus sind etwa 75 Prozent des Gebäudebestands in der EU energetisch ineffizient. Allein der Bausektor erzeugt etwa 50 Prozent des Abfalls in Deutschland.

Wenn die derzeitige Baupraxis auf der Basis von Beton und Stahl nicht geändert wird, wird das Zwei-Grad-Klimaziel nicht erreicht werden. In einem Punkt können wir sicher sein: Die Zukunft der Stadt ist die Zukunft des Planeten. Deshalb müssen wir jetzt handeln! Im Rahmen des SDE21 kommen 18 Teams von Universitäten aus der ganzen Welt nach Wuppertal, um am ehemaligen Bahnhof Mirker nachhaltige Gebäude zu bauen.

Der SDE21 verbindet städtebauliche Herausforderungen mit sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten und liefert Entwürfe für nachhaltige urbane Übergänge. Es wird das langfristige Ziel des Solar Decathlon-Projekts beibehalten, kostengünstige, hoch energieeffiziente solarbetriebene Wohnhäuser zu entwickeln und zu demonstrieren.

In Wuppertal wird der SDE21 eine neue Wendung nehmen. Anstatt Gebäude von Grund auf neu zu planen und zu entwerfen, werden die Zehnkämpfer mit dem vorhandenen Gebäudebestand arbeiten und effiziente und nachhaltige Wohnlösungen in spezifischen städtischen Situationen umsetzen.

Wir sprachen mit Dr.-Ing. Katharina Simon, SDE21 Projektdirektorin für Architektur und urbane Innovation, Bergische Universität Wuppertal, über den Solar Decathlon Europe 21.

INTERVIEW

Rolf Mauer: Frau Simon, was ist der SDE21?

Katharina Simon: Der Solar Decathlon Europe 21 (SDE21) ist ein urbaner Zehnkampf für nachhaltiges Bauen und Leben, der im August und September 2021 in Wuppertal stattfindet. 18 Hochschulteams aus elf Ländern konzeptionieren, planen und bauen Gebäude, die innovative Ideen für eine nachhaltige, energieeffiziente und sozialverträgliche Architektur in die Praxis umsetzen.

Die Teams messen sich mit ihren Projekten in zehn Disziplinen: Kommunikation & Bildung, Realisierbarkeit & Angemessenheit, Innovation, Urbane Mobilität, Funktion, Architektur, Nachhaltigkeit, Gebäudetechnik & Konstruktion, Komfort und Energieperformance.

Rolf Mauer: Was unterscheidet den SDE21 von anderen Architekturwettbewerben?

Katharina Simon: Die 18 Hochschulteams haben rund eineinhalb Jahre Zeit, ihre Gebäude zu konzeptionieren und zu planen. Im August 2021 bauen sie repräsentative Demonstratoren (1:1) ihrer Gesamtgebäude in Form von voll funktionsfähigen, ein- bis zweistöckigen Wohngebäuden in Wuppertal auf und betreiben sie. Das macht den Solar Decathlon einzigartig.

Rolf Mauer: Mit Wuppertal findet die erste urbane Edition des europäischen Wettbewerbs statt. Warum dieser Fokus und was sind die konkreten Bauaufgaben?

Katharina Simon: Unser Ziel ist es, vor dem Hintergrund des Klimawandels die Energiewende in urbanen Quartieren voranzubringen und gemeinschaftlich lebenswerte Städte zu schaffen. Wir thematisieren den Bestand, denn das sind die Zukunftsfragen für uns Architektinnen und Architekten.

Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns mit der Baulückenschließung, der Aufstockung und der horizontalen Erweiterung. Bei den beiden letztgenannten spielt natürlich die Transformation des Bestandsgebäudes ebenfalls eine Rolle.

Rolf Mauer: Sie forschen seit Jahren zum klimaneutralen Gebäudebestand und urbaner Transformation: Welchen Beitrag kann der SDE21 auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand leisten?

Katharina Simon: Niemand erwartet, dass der SDE21 allein alle Fragen zum klimaneutralen Gebäudebestand beantworten kann. Wir haben aber schon viel erreicht, wenn sich junge Menschen und Teile der Bevölkerung mit diesen wichtigen Fragen auseinandersetzen und innovative Lösungen für die Gestaltung unserer Städte von morgen entwickeln. Eine nachhaltige Bewusstseinsveränderung bei den Planenden als auch bei den Besuchern wäre natürlich wünschenswert.

Rolf Mauer: An wen richtet sich der Wettbewerb?

Katharina Simon: Der Wettbewerb richtet sich an studentische Teams aus aller Welt, die sich mit der Stadt der Zukunft beschäftigen möchten. Die Teams sind interdisziplinär zusammengesetzt, d.h. Architekten, Bauingenieure und Elektrotechniker arbeiten Hand in Hand mit eher baufremden Disziplinen wie der Sozialwissenschaft. Ein wichtiger Adressat ist auch das Fachpublikum. Hier möchten wir durch alle Gewerke hinweg Innovationen zeigen und Denkanstöße liefern.

Parallel zielen wir darauf ab, das Bewusstsein bei Mietern, Vermietern und Entscheidungsträgern zu schärfen und lokale, nationale und internationale Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Rolf Mauer: Was macht Wuppertal als Austragungsort spannend?

Katharina Simon: Wuppertal ist eine Stadt, die sich fortlaufend transformiert. Nicht zuletzt aufgrund des großen bürgerschaftlichen Engagements, das so manches Großprojekt eigenständig aus dem Boden gestampft hat. Ein Beispiel dafür ist die Nordbahntrasse, auf der unser Solar Decathlon Campus stehen wird. Bottom-up Transformation wird in Wuppertal großgeschrieben, da passt der SDE21 hervorragend rein.

Rolf Mauer: Welche Aspekte der urbanen Transformation greift der SDE21 auf?

Katharina Simon: Die europäische Stadt ist weitestgehend gebaut. Die bauliche Nachverdichtung ist vor dem Hintergrund des Wachstums zahlreicher Städte ein wichtiges Thema. Diesen Umstand greifen wir gezielt mit den drei definierten Bauaufgaben auf. Aber auch Themen wie die Schaffung eines klimaneutralen Gebäudebestandes, Flächensuffizienz, ressourcenschonendes Bauen, Recyclingfähigkeit, urbane Mobilität und so weiter sind zentrale Aspekte des Transformationsprozesses. Da wir mit dem SDE21 zum ersten Mal mit und in einem urbanen Kontext planen, werden viele dieser Aspekte von den Teams thematisiert.

Rolf Mauer: Welche Innovationen sind zu erwarten?

Katharina Simon: Neben der Installation von Solaranlagen ist es wahrscheinlich, dass sich die meisten Teams für eine Holzbauweise entscheiden. Alles Weitere hängt von ihren Ideen und ihrem Gestaltungswillen ab. Wir definieren letztendlich nur den Rahmen für den Wettbewerb und begleiten die Teams auf ihrem Weg. Wir haben sowohl Teams dabei, die schon mehrfach an einem Solar Decathlon teilgenommen haben, als auch Neulinge. Es bleibt also spannend!

Rolf Mauer: Was passiert mit den Demonstratoren nach dem Wettbewerb?

Katharina Simon: Einige Demonstratoren sollen für mehrere Jahre vor Ort bleiben und im Rahmen eines Living Lab weiterbeforscht werden. Momentan läuft dessen Konzeptionierung. Die Gebäude dienen als Lernlandschaft für die Hochschulen in NRW, die so gemeinsam mit den internationalen Teams auch nach dem SDE21 weiterforschen können.

Rolf Mauer: Wie möchten Sie die Bevölkerung für nachhaltiges Bauen begeistern?

Katharina Simon: Wichtig ist uns, die Bevölkerung von Anfang an mit auf die Reise zu nehmen und ausreichend zu informieren. Wir versuchen uns so gut wie möglich ins Quartier zu integrieren, nehmen an diversen Veranstaltungen teil und haben ein SDE21-Office mitten im Herzen des Mirker Quartiers. Hier werden wir Sprechstunden, Workshops, Events und vieles mehr anbieten, um mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen. Parallel wird in einem Reallabor beforscht, wie multifunktionales Raum-Sharing von den Quartiersbewohnern angenommen wird. Nichts zu tun ist keine Lösung. Deshalb zeigen wir Handlungsoptionen weit über den Wettbewerb hinaus auf.

Kurzinfo Solar Decathlon Europe 21
Der Solar Decathlon Europe 21 ist ein Wettbewerb für nachhaltiges Bauen und Leben, der im August und September 2021 in Wuppertal stattfindet. Er wird von dem SDE21-Projektteam der Bergischen Universität Wuppertal in Kooperation mit der Stadt Wuppertal, dem Wuppertal Institut, der Initiative Utopiastadt, den Wuppertaler Stadtwerken und der Neuen Effizienz GmbH durchgeführt und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. www.sde21.eu


sde21 solar decathlon europe 02 katharina simon

Katharina Simon
Dr.-Ing. Katharina Simon ist Leiterin des Bereichs „Architektur und urbane Innovation” im internationalen Projekt „Solar Decathlon Europe 21 goes urban” sowie Co-Leiterin des Gesamtprojektes. Nach ihrem Architekturstudium mit Fokus auf ressourcenoptimiertes Bauen war sie über sieben Jahre lang am Lehrstuhl für Städtebau an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) tätig, wo sie 2017 promovierte. In dieser Zeit lehrte und forschte sie an der Schnittstelle von Stadt und Energie, u.a. als Co-Subtask Leader in der IEA SHC Task 51 „Solar Energy in Urban Planning”. Anschließend war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bauphysik und Technische Gebäudeausrüstung der BUW, wo sie an national geförderten Forschungsprojekten arbeitete und an der Akquise des Projektes SDE21 beteiligt war. Zu dieser Zeit war sie ebenfalls Mitglied der wissenschaftlichen Begleitforschung „EnEff.Gebäude.2050”.


Selbst ein 7,5-Tonner kann den neuen Poller von Berner, genannt SafetyGuard, nicht überwinden. Die gezackte Bodenplatte verkeilt sich in den Asphalt und den Unterboden des Fahrzeugs. 450 kg Eigengewicht schützen vor Manipulation und Vandalismus. Foto: Berner Torantriebe

Außenraum

Optimierte Lichtplanung: Mittels eines sehr filigranen Mastkörpers konnte eine einzige Montageposition realisiert werden. Ergänzend zu den wenigen Lichtpunkten mit hohem Entblendungsgrad kommen wenig und flach strahlende Bodeneinbauleuchten, die ihr Licht fächerförmig auf die Zuwegung zu dem an der Seite des Gebäudes befindlichen Aufzug abgeben, zum Einsatz. Bildquelle: Michael Bamberger

Beleuchtung

Einzigartiges Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung mit internationaler Ausstrahlung: Das Humboldt Forum auf der Spreeinsel in der historischen Mitte Berlins. Bildquelle: Marcus Müller-Witte für Kieback&Peter GmbH & Co. KG

Fachartikel

Das industrielle Erscheinungsbild, blieb im Zuge der Umnutzung erhalten und gibt den Blick auf das eingestellte Gebäude frei. Bild: arch.photo / Matthias Fuchs

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Eine schnörkellos-elegante Architektur prägt das Gebäude in Zirndorf. Foto: Andy Brunner / KS-Original

Projekte (d)

Die schlanken Profile des Systems forster unico xs fügen sich harmonisch in den Industriebau ein und erfüllen gleichzeitig hohe technische und bauphysikalische Anforderungen. Foto: Damian Poffet

Fassade

Mit ihrer runden Lichtscheibe, hinter der sich LEDCluster befinden, erhellt die Hybrid-Pendelleuchte Zoover von Delta Light den Arbeitsplatz. Die flache Leuchtenkuppel aus nachhaltigem PET-Filz verbessert außerdem die Raumakustik. Bildquelle: Andreas Wimmer Werbefotograf

Beleuchtung

Dilek Ruf hat das Büro BBU.Projekt Architekten gegründet und ist Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen. Foto: Julian Martitz

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Gebäudetechnik

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