Unter Städten und Gemeinden strömt ein warmer Fluss:
Das für Duschen, Baden, Waschen und Spülen erhitzte Wasser verlässt die Gebäude mit einer mittleren Temperatur von 25 °C. In der Kanalisation hat das Schmutzwasser in Deutschland im Jahresmittel immerhin noch eine Temperatur von 15 °C bislang weitgehend verschenkte Energie, mit der zum Beispiel Häuser beheizt werden könnten. Das Potenzial ist gewaltig: Nach Angaben der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU, Osnabrück) könnten hierzulande zwei bis vier Millionen Wohnungen mit der aus Abwasser zurückgewinnbaren Wärme versorgt werden.
Das hier vorgestellte Anlagenkonzept eignet sich nicht nur für Wohnanlagen. Auch Schulen, Kindergärten, öffentliche Gebäude, Schwimmbäder, Sporthallen, Hotels, Heime, Krankenhäuser sowie Gewerbe- und Industriebetriebe können mit der umweltfreundlichen Wärme beheizt werden. „Grundvoraussetzung sind ein vergleichsweise hoher Wärme- und Warmwasserbedarf von über 150 kW sowie geringe Heizungsvorlauftemperaturen“, sagt Dr.-Ing. Oliver Christ vom Münchner Ingenieurbüro GFM. Nicht geeignet ist die Methode mangels Volumen für den privaten Bauherrn. „Aus wirtschaftlichen Gründen sollte das zu heizende Gebäude außerdem nicht weiter als 100 m vom Hauptkanal entfernt sein. Und dieser sollte stets einen ausreichenden Abfluss von mindestens 15 l/s haben“, nennt Christ weitere wichtige Bedingungen. |
Umweltcluster Bayern bringt Kompetenzen zusammen
Die grundsätzliche Idee, das Wärmepotenzial des Abwassers zu nutzen, kam in der niederbayerischen Stadt vor etwa zwei Jahren auf. Ende des Jahres 2007 machte dann die Verwaltung ein konkretes Projekt ausfindig. Bei der weiteren Umsetzung spielte der Umweltcluster Bayern eine wichtige Rolle. Der von der Bayerischen Staatsregierung kofinanzierte Umweltcluster mit Hauptsitz in Augsburg bündelt das Potenzial der über 2.000 bayerischen Unternehmen im Bereich Umwelttechnologie und unterstützt die Firmen bei der Entwicklung und Vermarktung ihrer Produkte und Verfahren.
Beim Straubinger Vorhaben vermittelte die Wirtschaftsförderungseinrichtung der Kommune den Kontakt zum Münchner Planungsbüro GFM Beratende Ingenieure, das in der Folge für fast alle Ingenieurleistungen verantwortlich zeichnete von einer Machbarkeitsstudie über den Vorentwurf bis zur Entwurfsplanung für alle Fachbereiche. Außerdem konnte über die Kontakte des Umweltclusters für die technische Umsetzung die Hans Huber AG ins Boot geholt werden. Der Maschinen- und Anlagenbauer aus Berching ist auf die Behandlung von Trinkwasser, Abwasser und Prozesswasser spezialisiert.
Günstige Voraussetzungen
Die Rahmenbedingungen für das Straubinger Vorhaben sind besonders günstig. „Aus Altersgründen steht sowieso eine generelle energetische Sanierung der Wohnanlage an“, schildert Dipl.-Ing. Cristina Pop vom Tiefbauamt der Stadt Straubing.
„Neben einer Wärmedämmung der Fassaden sollen zum Beispiel die Ölbrenner in den einzelnen Wohnungen durch eine moderne Zentralheizung ersetzt werden.“ Der Komplettaustausch ermöglicht den Wechsel zu einer Fußbodenheizung, die durch ihre niedrige Heizungsvorlauftemperatur für das geplante Wärmepumpensystem besonders geeignet ist.
Eine von GFM im vergangenen Jahr durchgeführte und vom Bayerischen Wirtschaftsministerium geförderte Machbarkeitsstudie zeigte, dass der Einsatz eines neu entwickelten Bypass-Verfahrens zur Abwasserwärmenutzung mit einem Wärmetauscher und vorgeschalteter Abwassersiebung, in Kombination mit Elektro-Kompressions-Wärmepumpen und Spitzenlast-Brennwertkesseln die technisch und wirtschaftlich sinnvollste Lösung ist (Bild 4).
Mit dem Bau der Abwasserwärmenutzungsanlage soll im Sommer dieses Jahres begonnen werden. Bei planmäßigem Verlauf wird das System schon in der kommenden Heizperiode ab Herbst 2009 voll einsatzfähig sein.
Technisches Konzept
In einem eigens gebauten Entnahmenschacht ziehen zwei Pumpen einen Teil des Abwassers aus dem Hauptsammelkanal ab und fördern es über eine knapp 100 m lange Leitung zu einem rund 45 m2 großen Betriebsgebäude.
Hier strömt es zunächst durch eine Siebanlage aus Edelstahl. Mit einem Lochdurchmesser von 3 mm hält sie die meisten Feststoffe zurück (Bild 5). Dies ist notwendig, um den nachfolgenden Wärmetauscher zu schützen. Die Kombination aus Siebanlage und einem speziellen Wärmetauscher hat die Hans Huber AG gezielt für die energetische Verwertung von Rohabwasser entwickelt. „Bisherige Wärmetauscher sind entweder für nahezu feststofffreies Wasser oder für Klärschlamme geeignet. Und letztere wären zu teuer für Rohabwasser“, erläutert Christian Gelhaus, Produktmanager bei dem Berchinger Wasserspezialisten.
Im Wärmetauscher wird der separate Heizwasserstrom des Gebäudekomplexes erwärmt. Anschließend heben drei Elektrokompressionswärmepumpen die Temperatur dieses Wassers auf die erforderliche Vorlauftemperatur der Fußbodenheizung an. Die Verteilung des etwa 45 °C warmen Heizmediums auf die angeschlossenen Wohngebäude übernimmt ein gedämmtes Nahwärmenetz.
Nachdem das Abwasser einen Teil seiner Wärmeenergie im Wärmetauscher abgegeben hat, fließt es zurück in den Hauptsammelkanal und nimmt auf diesem Weg auch das zuvor entnommene Siebgut wieder mit. Wie bisher geht es dann weiter bis zur Kläranlage nur die Temperatur des genutzten Abwassers ist um rund 0,5 °C abgesenkt.
Vorteilhaft bei Wartung und Instandhaltung
Knapp zwei Drittel der Heizenergie aus Abwasser
Mit dem neuen Verfahren soll es nach den Berechnungen der Planer möglich sein, rund 65 % der erforderlichen Heizenergie aus dem Abwasser zu generieren. Ein Viertel der Energie muss in Form von Strom zum Betrieb der Wärmepumpe eingesetzt werden. „Wärmepumpenstrom ist in der Regel zu günstigeren Tarifen zu haben als der übliche Haushaltsstrom“, sagt Oliver Christ von GFM. „Allerdings muss sich der Nutzer damit einverstanden erklären, dass der Strom in Spitzenlastzeiten zeitweise abgestellt wird. Für die Wärmeversorgung ist das nicht weiter tragisch, da Pufferspeicher während der definierten maximalen Ausschaltdauer der Wärmepumpe die Heizwärme speichern.“
Nach dem Willen des Tiefbauamts Straubing soll auch der Strom für die Wärmepumpe aus Abwasser gewonnen werden. Cristina Pop: „Auf der Straubinger Kläranlage arbeitet eine Co-Vergärungsanlage, die aus Klärschlamm und anderen Bioabfällen Biogas erzeugt. Ein Blockheizkraftwerk gewinnt daraus mehr Strom, als auf der Kläranlage selbst benötigt wird.“ Zusammen mit den Stadtwerken soll nun ein Abrechnungs- und Durchleitungsverfahren gefunden werden, nachdem die überschüssige, ins Netz eingespeiste Energie zum Betrieb der Wärmepumpe dient zumindest virtuell. „Mit dieser Querverbindung und weiteren, stofflichen Verwertungsmaßnahmen wollen wir zeigen, dass es möglich ist, aus dem Abwasser quasi alles Wertgebende – inklusive Energie herauszuholen“, erläutert Cristina Pop.
An besonders kalten Tagen kann es vorkommen, dass die von der Wärmepumpe bereit gestellte Energie nicht ausreicht, um die Wohnungen angemessen zu heizen. „Für die Abdeckung dieser Spitzenlasten installieren wir in Straubing mit Gas gefeuerte Kombispeicher“, führt Oliver Christ aus. „Sie stehen dezentral im Keller jedes Wohngebäudes und sind eigentlich für die Legionellen-Prophylaxe in der Warmwasserbereitung gedacht. Sie können aber auch gleichzeitig die Heizungsanlage unterstützen.“ Nach den Planungen von GFM sind etwa 10 % der Heizwärme konventionell über Erdgas abzudecken.
Amortisation über eingespartes Erdgas
Dr. Manuela Wimmer, Geschäftsführerin des Umweltclusters Bayern, setzt hohe Erwartungen in das Straubinger Projekt: „Die hier gegebene Kombination aus innovationsfreudigem Anwender, planerischer Kompetenz und technischem Know-how ist praktisch idealtypisch. Damit kann im Heimatmarkt ein Referenzobjekt entstehen, das als Vorbild für viele weitere nationale und internationale Anlagen dienen kann.“
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Autor Helmuth Ziegler Redaktionsbüro Ziegler Erlabrunner-Str. 17 97276 Margetshöchheim Tel.: 09 31/9 91 22 33 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! |
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Stadt Straubing, Tiefbauamt Dipl.-Ing. Cristina Pop Seminargasse 8 94315 Straubing Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! www.straubing.de |
GFM Beratende Ingenieure GmbH Dr.-Ing. Oliver Christ Akademiestraße 7 80799 München Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! www.gfm.com |
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