Zirkularität im Bauwesen entwickelt sich zunehmend vom Ideal zur Notwendigkeit: Ab 2027 wird der europäische Emissionshandel auf den Gebäudesektor ausgeweitet – und damit rückt auch die CO₂-Bilanz von Bauprodukten über ihren gesamten Lebenszyklus in den Fokus. Wer Holz als klimafreundlichen Baustoff einsetzt, wird künftig stärker nachweisen müssen, dass das verbaute Material auch am Ende seiner Nutzung im Kreislauf verbleibt. Nur so kann die günstige Ökobilanz von Holz dauerhaft bestehen. Das stellt nicht nur planerische, sondern auch stoffliche Anforderungen: Insbesondere Holzbauteile, die mit bioziden Schutzmitteln behandelt wurden, gelten als „gefährlicher Abfall“ und entziehen sich einer kreislaufgerechten Verwertung. Was bedeutet das für die Fensterplanung? Der folgende Beitrag zeigt, wie sich Holzfenster heute schon schadstofffrei, rückbaubar und dauerhaft haltbar konstruieren lassen – und warum sie dabei zum Vorbild für zukunftsfähiges Bauen werden können.
Holzfenster im Kreislauf denken – ohne Biozide
Im Kontext zirkulären Bauens bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur die Wahl regenerativer Materialien, sondern auch deren sortenreine Trennbarkeit, Wiederverwendbarkeit und möglichst schadstofffreie Ausführung. Mit Blick auf Holzfenster behindern eine veraltete Regulierung und der Einsatz chemischer Holzschutzmittel häufig ihre Weiterverwendung und Wiederverwertbarkeit. Das schwächt die sonst sehr gute Umweltbilanz von Holzfenstern.
Dabei kann der Einsatz von Bioziden bereits in der Planung durch gezielte Materialwahl, konstruktive Maßnahmen und baulichen Feuchteschutz vermieden oder deutlich reduziert werden – ohne Einbußen bei Langlebigkeit oder Funktionalität. Praxiserprobte Alternativen ohne bioziden Holzschutz stehen mittlerweile in ausreichender Vielfalt zur Verfügung und werden zunehmend im Fensterbau umgesetzt.
Gestalterische Freiheit trifft ökologische Verantwortung
Für Architektinnen und Architekten eröffnet der Verzicht auf bioziden Holzschutz neue Spielräume in der Gestaltung kreislauffähiger Gebäudehüllen. Holzfenster lassen sich damit nicht nur gestalterisch hochwertig, sondern auch rückbaubar und sortenrein trennbar konzipieren – ein zentraler Aspekt in zirkulären Bauansätzen.
Es ist paradox: Holzfenster haben eine erstklassige Ökobilanz, stehen für Tradition, Qualität und Handwerkskunst – und dennoch werden sie vom Gesetzgeber als Abfall eingestuft. Der Grund dafür liegt in der Behandlung mit chemischen Holzschutzmitteln, die den Holzrahmen vor holzverfärbenden und holzzerstörenden Pilzen schützen und eine lange Dauerhaftigkeit des Produkts gewährleisten. Der Einsatz von bioziden Wirkstoffen verbietet die Wiederverwertung von altem Fensterholz in neuen Produkten.
Damit stehen Holzfenster in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter schlechter da, als sie es verdienen. Denn ein genauerer Blick zeigt: Moderne Holzschutzmittel sind nicht mit den Holzschutzmitteln von früher zu vergleichen (mehr dazu weiter unten). Zudem kommen zunehmend biozidfreie Beschichtungssysteme auf den Markt, die das Holzfenster effektiv vor Feuchteschäden schützen. Und letztlich gibt es längst bewährte Möglichkeiten, ganz auf den chemischen Holzschutz zu verzichten. Es ist also Zeit, die Perspektive zu ändern: Die Dauerhaftigkeit und Schadstofffreiheit von Holzfenstern ist kein Widerspruch, sondern lässt sich praktisch realisieren.
Moderne chemische Holzschutzmittel sind besser als ihr Ruf, aber keine Dauerlösung
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich viel verändert: Die Wirkstoffe in modernen Holzschutzmitteln wurden immer strenger reguliert. Eine aktuelle Studie zur zirkulären Wertschöpfung bei Altfenstern zeigt, dass die meisten der Wirkstoffe in modernen Holzschutzmitteln im europäischen Chemikalienrecht entweder als genehmigt oder als nicht besorgniserregend eingestuft sind. Viele Holzschutzmittel, die 2002 in der damals erarbeiteten – und bis heute geltenden – deutschen Altholzverordnung erfasst wurden, werden heute nicht mehr eingesetzt. Holzfenster, die mit modernem chemischen Holzschutz behandelt wurden, sind also deutlich weniger belastet, als es ihre Einstufung als „gefährlicher Abfall“ vermuten lässt.
Entscheidend ist der Feuchteschutz. Auch biozidhaltige Holzschutzmittel schützen das Holz nur auf Zeit – solange die Oberflächenbeschichtung intakt bleibt. Holzfenster sollten schweren holzzerstörenden Einwirkungen, insbesondere einer permanenten Befeuchtung, grundsätzlich nicht ausgesetzt werden. Chemische Holzschutzmittel stellen daher immer nur eine Option im Kontext der konkreten Anforderungen dar. Darum sollten bei der Planung Alternativen in den Blick genommen werden.
Biozidfreie Alternativen: Praxistauglich und bewährt
Die sich verändernden Rahmenbedingungen schlagen sich in dem steigenden Angebot biozidfreier Holzschutzmittel am Markt nieder. Diese Mittel reduzieren die Belastung des Holzes erheblich, da sie mit deutlich geringeren Mengen an Bioziden auskommen oder auf unbedenkliche Wirkstoffe setzen. Fenster, die mit solchen Mitteln behandelt werden, können mindestens in die Kategorie AII der Altholzverordnung („Verleimtes, gestrichenes, lackiertes oder anderweitig behandeltes Holz ohne halogenorganische Verbindungen und ohne Holzschutzmittel”) eingeordnet werden. Diese Einordnung würde eine stoffliche Weiterverwendung im Kreislauf erlauben. Wie das Altholz genau verwendet wird, ob als Fensterkantel mit Altholzanteil, als Möbel, Holzwerkstoff, Biokohle oder sonstiges Produkt, wird auf absehbare Zeit eine Frage der Wirtschaftlichkeit im Kontext lokaler Gegebenheiten bleiben. Dies unterstreicht die einzigartige Variabilität von Holz als Werkstoff!
Es gilt sicherzustellen, dass biozidfreie Lösungen nicht auf Kosten der Funktionalität und Dauerhaftigkeit des Holzfensters gehen. Sie erfüllen den Schutzanspruch des Holzes am besten, indem sie das Bauelement im Zusammenspiel mit einer Reihe von Rahmenbedingungen vor einer zu hohen Feuchtebelastung bewahren. Dazu zählen Material, Konstruktion, Montage, Beanspruchung und Nutzung. Insofern ändert sich gar nicht allzu viel in der bestehenden Qualitätskontrolle, welche die Funktionalität des Holzfensters im täglichen und langjährigen Gebäudebetrieb gewährleistet.
Die Holzschutzmatrix: Planung ohne Schadstoffe
Auch wenn biozidfreie Holzschutzmittel eine wichtige Weiterentwicklung darstellen, gibt es Fälle, in denen auf chemischen Holzschutz komplett verzichtet werden kann. Auf Grundlage der bestehenden Grundsätze in der Normung und Regulierung von Holzschutz haben wir als Bundesverband ProHolzfenster eine Übersicht erarbeitet, in der die Spielräume für den Verzicht auf chemischen Holzschutz dargestellt werden – die sogenannte Holzschutzmatrix. An den folgenden Stellschrauben kann und muss gedreht werden, um die Holzfenster auch ohne chemischen Holzschutz langlebig und funktional zu machen:
- Dauerhafte Hölzer: Harte Holzarten und Kernholz sind von Natur aus widerständig gegen holzzerstörende Organismen und Witterungseinflüsse.
- Konstruktiver Holzschutz: Intelligente Konstruktionen wie Ablaufschrägen, abgerundete Kanten oder Vermeidung von Kapillarfugen schützen das Holz vor anhaltender Befeuchtung. Holz-Aluminium-Fenster kommen etwa gänzlich ohne chemischen Holzschutz aus.
- Baulicher Holzschutz: Abgestimmte Vor- und Montageplanung schützt vor Feuchteeinwirkungen während der Bauphase, zurückgesetzte Einbaulage und große Dachüberstände schützen das Holz effektiv vor länger andauernden Feuchteeinwirkungen während der Nutzungsphase.
- Kombinierte Fensterkanteln: Die Kombination verschiedener Holzarten in einer Fensterkantel kann die Stabilität und Langlebigkeit der Fenster in besonders beanspruchten Bereichen gezielt steigern.
- Modifizierte Hölzer: Die thermische Bearbeitung erhöht die biologische Dauerhaftigkeit des Holzes gegenüber holzzerstörenden Pilzen auf physikalische Art und Weise.
Fazit: Zukunftsfähige Fenster brauchen neuen Planungsansatz
Chemischer Holzschutz bietet keine ultimative Lösung – er schützt das Holz nur auf Zeit und schränkt dafür dessen stoffliche Wiederverwertbarkeit ein. Die nachhaltigere und langfristig bessere Lösung liegt in einem bewussteren Umgang mit Materialien und Konstruktionsweisen. Die Möglichkeiten, auf chemischen Holzschutz zu verzichten oder ihn zu reduzieren, sind längst vorhanden – und sie sollten bei der Planung von Fenstern stärker als bislang genutzt werden. Auf diese Weise können Architektinnen und Architekten einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Fenster von Beginn an kreislauffähig zu machen – für mehr Klimaschutz und weniger Ressourcenverbrauch.
Autor: Kai Pless ist Geschäftsführer des Bundesverbands ProHolzfenster