Gläser, die für den Schutz vor Einbruch zum Einsatz kommen, sind in der europäischen Norm EN 356 definiert, die angibt, wie diese Gläser geprüft werden müssen. Dabei unterscheidet man zwischen den durchwurfhemmenden Klassen P1A bis P5A, die durch einen Kugelfallversuch geprüft werden, und Gläsern der durchbruchhemmenden Klassen P6B bis P8B, die einer maschinellen Axtprüfung unterzogen werden.
In der EN 1627 sind die einzelnen Widerstandsklassen RC1 bis RC6 festgelegt. Die Norm beschreibt, mit welchen Werkzeugen der Prüfer das Bauteil angreifen darf, um einen potenziellen Einbruch so realistisch wie möglich nachzustellen. Ausschlaggebend dabei ist, in welchen Zeitraum es möglich ist, sich über das entsprechende Bauteil Zugang zum Gebäude zu verschaffen. Die Norm EN 1627 beschreibt zwar den Angriff auf die Konstruktion und die zugehörigen Bauteile, allerdings nicht den direkten Angriff auf das Glas. Die Folgenormen EN 1628 (statische Belastung), EN 1629 (dynamische Belastung) und EN 1630 (manuelle Prüfung) ergänzen diesbezüglich die EN 1627. In der Norm EN 1630 wird der manuelle Angriff auf das Glas vorgegeben – mit detaillierten Angaben, wie die einzelnen Werkzeugsätze A1 bis A6 in welchem Zeitraum verwendet werden müssen.
Keine Panik bei direktem Angriff auf das Glas
Für Türen mit Anti-Panik-Funktion und für die Klassen RC5 und RC6 gelten Ausnahmen von dieser Vorgehensweise. Da an Material und Verarbeitung besonders hohe Anforderungen gestellt sind, wird bei den Prüfverfahren für diese Klassen das Glas direkt manuell angegriffen. Da reine Verbundglasaufbauten aus mindestens zwei durch PVB-Folien miteinander verbundenen Gläsern für die Anwendung in Anti-Panik-Türen zu dick sind, wird auf ein Verbundsicherheitsglas mit einem widerstandsfähigen Polycarbonat-Kern zurückgegriffen. Solche Sicherheitsgläser sind dünner und leichter und bieten dennoch ein hohes Maß an Sicherheit durch besonders hohe Schlagfestigkeit und Splitterbindung. Daneben sind sie sehr gut mit anderen Produkten kombinierbar und erlauben, genau wie die Verbundglasaufbauten, genau auf den spezifischen Anwendungsfall abgestimmte multifunktionale Kombinationen.
Leicht zu übersehen: Hinweis auf Anti-Panik – mit weitreichenden Folgen
Die häufigste Widerstandsklasse bei Fluchttüren ist RC2. Hierfür benötigt man eine angriffshemmende Verglasung nach EN 356 und EN 1627, die dazu bestimmt ist, einen gewaltsamen Einbruchsversuch um drei Minuten zu verzögern. Das Glas wird zusammen mit dem Rahmensystem geprüft, um die Widerstandsklasse der vollständigen Konstruktion gemäß EN 1627 zu bestätigen. In den höheren Klassen wie RC5 und RC6 kommen sogar Elektrowerkzeuge wie Bohrmaschine, Flex und Tigersäge zum Einsatz, um innerhalb einer Angriffszeit von 15 Minuten eine Öffnung von 400 x 250 mm herzustellen. Gläser, die lediglich nach der EN 356 geprüft wurden, halten diesem Angriff keinesfalls stand. Dies wird in der praktischen Umsetzung oftmals vergessen. Die EN 1627 nennt in den einzelnen RC-Klassen lediglich die Mindestanforderung an das Glas. In der Praxis hält das Glas den Anforderungen nicht stand.
In Ausschreibungsunterlagen ist überwiegend von RC2 die Rede und den Hinweis auf die geforderte Anti-Panik-Funktion findet man oftmals versteckt in einem kurzen Satz, der leicht übersehen wird. Wenn voller Schutz mit Anti-Panik-Funktion gewährleistet werden soll, dann reicht ein Angebot mit einem P4A-Glasaufbau in keinem Fall aus. Um die Anti-Panik-Funktion zu erreichen und eine mängelfreie Abnahme zu gewährleisten, muss in der Ausschreibung zwingend auf ein Produkt mit Polycarbonat hingewiesen werden. Nicht zuletzt im Angebotspreis spiegelt sich dieser Unterschied: RC2-Anti-Panik-Türen mit Polycarbonat sind um ein Vielfaches teurer als ein Glasaufbau mit einem P4A wie in der Widerstandsklasse RC2 vorgegeben. Nur sie erreichen aber die für Gläser mit Anti-Panik-Funktion vorgeschriebenen Prüfwerte. Hier ist also ein genaues Lesen der Ausschreibungsunterlagen zwingend erforderlich.
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