Die Areale entlang der Spree haben mit den klassischen öffentlichen Promenaden, wie es sie in Paris oder Rom gibt, kaum Gemeinsamkeiten. Jahrzehntelang gehörten diese Ufergebiete im Zentrum Berlins zu den unattraktivsten Gegenden der Stadt. Im ehemals überwiegend gewerblich genutzten Gebiet, geprägt durch Lager- und Verwaltungshäuser, fand auch eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte statt: Vernichtung der so genannten »entarteten« Kunst während des Nationalsozialismus.
Erst vor wenigen Jahren begann sich das brachliegende, nicht begehbare Grenzareal – in der DDR-Periode noch eine Todesstreifenzone – in einen der beliebtesten urbanen Anziehungspunkte zu verwandeln. Von der neu gewonnenen Lebensqualität an der East Side Gallery profitieren heute Berliner wie Besucher zugleich.
Mit dem kürzlich fertig gestellten Wohnhochhaus fand gleichzeitig eine Erweiterung der Nutzungsbandbreite am Spreeufer statt. Der weiße Solitär befindet sich am Brückenkopf der ehemaligen kriegszerstörten Brommybrücke und damit unmittelbar am Wasser. Weiß und skulptural geformt lebt der Wohnturm von der Rotation der aufeinander geschichteten Blöcke. Von allen Standpunkten aus betrachtet sorgt das Relief mit seinem Wechsel zwischen ausgehöhltem Volumen und den Auskragungen für ein visuelles Spannungsmoment.
Das insgesamt 14-geschossige Hochhaus mit einer Fläche von 8.700 Quadratmetern ruht auf einem Sockel. Während der Sockelbereich überwiegend mit einer Blechverkleidung ausgestattet ist, hebt sich die Turm-Fassade durch großzügig verglaste Flächen hervor. Der Übergang von Außen nach Innen und somit von städtischer Öffentlichkeit zur Privatheit ist fließend: Genau im Schwellenbereich liegt direkt am Wasser ein öffentliches Café mit vorgelagerter Terrasse. Auf dem Dach des 1. Obergeschosses sowie im Bereich der Terrasse an der Uferpromenade sind jeweils Spielplätze für Kleinkinder eingerichtet. Die großzügige doppelgeschossige Eingangslobby wird auch als Galerie genutzt.
Insgesamt zählt der Turm 56 Wohneinheiten und vier Gewerbeeinheiten. Die rotationssymmetrische Gliederung erlaubt in jeder Wohnung einen eigenen, geschützten Außenbereich und sorgt für einen Ausblick in mindestens zwei der drei Himmelsrichtungen. Aufgrund der Stahlbetonskelettkonstruktion sind die Grundrisse - 54 bis 434 Quadratmeter groß - variabel und ermöglichen einen individuellen Ausbau nach Wunsch der Nutzer. Einen wichtigen Part der Wohnqualität machen die großzügigen Balkone und Terrassen aus. Zur Ausstattung der Terrassen gehört eine permanente Begrünung, die sich in der Tradition eines vertikalen Gartens, beginnend bei der Uferbegrünung, den Turm partiell hochzieht. Im Kellerbereich befinden sich haustechnische Erschließungs- und Technikflächen, der Müllsammelraum, ein Fahrradabstellraum, Wohnungsabstellräume und ein Lager. Die Erschließung des Gebäudes erfolgt über eine Doppelaufzugsgruppe, von denen einer als Feuerwehraufzug fungiert.
Das Wohnhochhaus Living Levels in Berlin wurde aktuell für den DAM Preis für Architektur 2017 nominiert.
nps tchoban voss, www.nps-tchoban-voss.de
Fotos: Roland Halbe, rolandhalbe.eu
Standort: Mühlenstraße 60, Berlin-Friedrichshain
Auftraggeber: cic group Immobilienprojektentwicklungsgesellschaft mbH
BGF: ca. 8.700 m²
Fertigstellung: August 2015
Architekt: Sergei Tchoban Architekt BDA
Projektpartner und -leiter: Philipp Bauer
Projektleitung LP 1-2, Bauantrag: Karsten Waldschmidt
Mitarbeiter: Christoph Heimermann, Kenan Ozan, Anja Schroth, Stephan Luda-Scharping