Der »Pavillon am See« von raeto studer architekten bildet den westlichen Abschuss zum Zürich-Obersee. Mit seiner Formensprache akzentuiert er die Lage und ihre umliegende Landschaft und
bereichert das Seeufer in Schmerikon.
Das Dorf Schmerikon ist so etwas wie der Gegenpol zu Zürich. Es liegt am oberen Ende des Sees, nahe der Mündung der Linth. Seit je her ein Warenumschlagplatz, verfügt die Gemeinde über ein intaktes, historisches Zentrum. Die Uferbebauung mit ihren markanten Giebelfronten wurde zwar im 19. Jahrhundert durch Aufschüttungen und die Bahnlinie vom See getrennt. Sie ist aber immer noch ein beliebtes Postkartensujet. Bis heute spielt die Lage am See eine wirtschaftliche Rolle: Es gibt in der Gemeinde eine Werft, und die Frachtroute für den ganz in der Nähe abgebauten, berühmten Bollinger Sandstein erfolgt zum Teil über das Wasser.
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Als Wohnort hat Schmerikon, am oberen Ende des Zürichsees, in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen. Die Gemeinde wird vom Durchgangsverkehr grossräumig umfahren; es gibt einen bequemen Anschluss an die Zürcher Oberlandautobahn, und der Bahnhof liegt an der Peripherie von Zürichs S-Bahnnetz. Der Verlauf der Gleise sorgt allerdings auch für eine Zweiteilung, welche die Siedlungsentwicklung mitbestimmte – auf der einen Seite die dicht besiedelte Wohnumgebung – auf der anderen Seite das offene Ufergebiet. Für dessen Neugestaltung war vor einigen Jahren ein Wettbewerb ausgeschrieben worden. Aufgewertet werden sollte dabei auch das Öffentliche Leben am Wasser. Die Idee eines eigentlichen Sommerangebotes mit Kiosk und Umziehkabinen für die Lidogäste transformierte bald zum Beschluss, in diesem einmaligen Panorama eine Genuss- und Begegnungsstätte für das ganze Jahr zu ermöglichen.
Der Basler Architekt Raeto Studer entwickelte mit Benjamin Theiler einen nah ans Wasser gestellten Pavillonkörper, der über Blickbezüge den Dialog mit der umliegenden Natur ermöglicht, der sich in seiner äusseren Erscheinung optisch an das im Hintergrund aufragende Bergmassiv anlehnt, der aber auch durch seine schillernde Form auffällt. Konsequent geht der Körper in seiner Stellung und seinem formalen Gebilde auf keinerlei vorherrschende städtebaulichen Strukturen der eigentlichen Siedlungsseite ein. Er steht zu nichts parallel oder orthogonal, vielmehr verfügt er über eine Architektursprache, die sich aus der Verortung mit dem losgelösten Kontext und der Weiträumigkeit entwickelt.
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Das formale Gebilde kann dabei als skulptural blockartig umschrieben werden – eine Form, in der das Kantige durch seine weiten Winkel wegfällt. Es ist diese vieleckige Komposition, mit der die Unfassbarkeit und damit die Schönheit des Rätselhaften zustande kommen. Der polygonale Körper entzieht sich dem Betrachter scheinbar, in dem er zwischen Wahrnehmungsmomenten verschiedener Fluchten oszilliert und erst auf den zweiten oder dritten Blick erfassbar wird. Durch die verschiedenen Winkel wirkt das Volumen länger; es entsteht eine Horizontalität, je nach Lichteinfall eine beinahe flächige Erscheinung. Ein Körper, der sich mit den abgedrehten Seiten, mit seiner Mehrseitigkeit wie in den umliegenden Raum hineinfaltet.
Das Kamin setzt das Spiel mit den Fluchten in die Vertikalität fort. Als Teil des Volumens schafft es ein visuelles Gleichgewicht zum horizontalen Hauptkörper. Seine Position entwickelt sich aus dem Grundriss heraus und integriert sich in den einen von zwei Nebenraumbereichen, welche den eigentlichen Hauptraum, den sogenannten Gastraum, flankieren. Diese Nebenräume geben sich nach aussen geschlossen, enthalten inwendig aber überraschende Details wie etwa der mit natürlichem Zenitallicht ausgestattete Vorplatz zu den Garderoben. Die Garderoben verfügen über einen separaten Eingang. Jeweils raumbreite Glasschiebefronten belichten den durchlaufenden Gastraum, der sich zur Industrieseite hin verengt und mit seiner Öffnung zum See hin die Weite der Landschaft inszeniert. Hier kulminiert der Dialog mit der Aussicht. Hier öffnet sich der Blick auf die einmaligen Stimmungen des Obersees und auf das dahinterliegende Bergpanorama. Jede Wetterstimmung ist bis ins Raumzentrum spürbar und umgekehrt wirkt der Gastraum von aussen wie ein offenes Atrium. Aus der Geometrie des Kontextes generiert, bietet er ein schattenspendendes Dach im Sommer und einen wärmenden Schutz vor der Kälte im Winter und verfügt über eine offene Küche, die ebenso in ihrer minimalistischen Gestaltung überzeugt.
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Die idyllische Parkanlage rund um den Pavillon und der als Boulevard gestaltete Uferweg mit Alleebäumen (gestaltet von den Landschaftsarchitekten Studio Vulkan) geben das passende Setting zu dieser bereichernden Einrichtung. Der Kleinbau am Wasser belebt sowohl die neugestaltete Uferanlage als künstlerisch-architektonischer Blickfang, aber auch als Ort der ganzjährlichen Einkehr für die Ausflügler am See.
Bilder: Ruedi Walti, Basel
- Projektwettbewerb 2005: 1. Preis
- Architektur: raeto studer architekten, www.raetostuder.ch
- Planung / Ausführung: 2012-2015
- Bauschaft: Ortsgemeinde Schmerikon
- Anlagekosten: CHF 1.9 Mio.
- GF SIA 416: 196 m2
- GV SIA 416: 890 m3
- Statik: prb Bauingenieure GmbH, Gränichen
- Landschaft: Schweingruber Zulauf Landschaftsarch. BSLA, Zürich. www.studiovulkan.ch