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Di, Dez

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Brauchen Architekten PR-Arbeit?

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Frank Peter Jäger, Inhaber von Archikontext, einer PR-Agentur für Architekten

Spricht man Architekten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz auf das Thema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an, antworten noch immer viele: Das brauchen wir nicht, die Zeitschriften kommen von selbst auf uns zu, wenn wir etwas Neues fertig gestellt haben.

Im angelsächsischen Raum gelten Marketing und Pressearbeit dagegen als Selbstverständlichkeit. Selbst Architekten von Weltrang wissen, dass herausragende Architektur nur dann zuverlässig als solche erkannt wird, wenn man ihre öffentliche Wahrnehmung aktiv managt. Ob UN Studio, Norman Forster oder David Chipperfield Architects – alle größeren Büros haben Presseabteilungen, in denen Vollzeit-Profis tätig sind. Wir sprachen mit Frank Peter Jäger, Inhaber von Archikontext, einer PR-Agentur für Architekten.

Rolf Mauer: Herr Jäger, weshalb wird hierzulande die Außendarstellung immer noch als Nebensache wahrgenommen?

Frank Peter Jäger: Das ist heute nicht mehr so. Inzwischen erkennt eine Mehrheit der Kollegen die Bedeutung von PR-Aktivitäten. Fast alle größeren Büros – also jene ab etwa 40 Angestellten, aber auch viele kleinere – haben heute eigene Mitarbeiter für diese Aufgaben engagiert. Der Oldschool-Architekt, Typ schwarzes Oberhemd, der sich hinstellt und sagt: Meine Architektur spricht für sich und PR interessiert mich nicht – das ist inzwischen eindeutig eine Minderheit. Für die Generation der heute 40-jährigen gehört Kommunikation schon dazu. Woran es dann in der Praxis scheitert, ist dagegen vielfach die praktische Umsetzung. Von 100 Büros, die eine Person für die Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen, betreiben bestenfalls ein Viertel eine umfassend verstandene und kontinuierliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Rolf Mauer: Was heißt für Sie umfassend und kontinuierlich?

Frank Peter Jäger: Die Pressearbeit vieler Büros ist von Diskontinuität geprägt. Konkret: Jahrelang passiert überhaupt nichts, dann wird ein großes Projekt fertig und aus dem nichts heraus soll dann ein PR-Feuerwerk gezündet werden. Das kann Erfolg haben. Gute Öffentlichkeitsarbeit lebt aber stärker von Kontinuität, von langjährigen Beziehungen zu Redaktionen und freien Journalisten, sie soll ein „mediales Grundrauschen" erzeugen, wie es ein Kunde von mir schön formulierte. Außerdem darf man bei der PR nicht nur in der Kategorie von Projekten denken. Es gibt genug projektunabhängige Themen.

Rolf Mauer: Wo hakt es konkret in der PR-Praxis von Architekten?

Frank Peter Jäger: Wenn wir PR so verstehen, dass alle öffentlich relevanten Aktivitäten des Büros aktiv kommuniziert werden – einschließlich der Durchführung von Presseterminen und Baustellenexkursionen mit Journalisten – dann muss ich sagen, so etwas praktiziert in Deutschland tatsächlich nur eine kleine Zahl von Büros stetig, ich schätze vielleicht 40. Warum ist das so? Die PR-Referenten sind in den Büros zugleich meist zuständig für die VOF-Bewerbungen, die Verwaltung des Projekt- und Fotoarchivs, Sekretariatsaufgaben, die Pflege der Website, für Broschüren – da kann man sich vorstellen, wie viel Zeit für aktive Pressearbeit bleibt. Aber was bedeutet eigentlich »aktive PR«? Von Zeit zu Zeit ein Projekt-PDF an die Fachredaktionen zu versenden oder mal eine Pressemappe zur Fertigstellung eines Gebäudes zusammenzustellen? Ernstzunehmende PR-Arbeit meint für mich, über Jahre hinweg das Image und die Kompetenzthemen eines Büros zu kommunizieren, also seine öffentliche Wahrnehmung langfristig zu modellieren. Es bedeutet aber auch, gerüstet zu sein für Krisen-PR, wenn z.B. ein Projekt des Büros in die öffentliche Debatte gerät.

Rolf Mauer: Sehen Sie Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit als jeweils unabhängige Disziplinen?

Frank Peter Jäger: Ja. Unter Marketing verstehe ich alle Aktivitäten, die der Akquisition unmittelbar zuarbeiten, also z. B. die Gestaltung von Website und Broschüren, Partnerschaften mit der Industrie, Auftritte auf Messen. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, neudeutsch PR, umfasst in der Praxis zu 80 Prozent Pressearbeit und zu einem kleinen Teil die Direktansprache der Öffentlichkeit, z.B. mit Veranstaltungen. In dem Sinn, wie wir jetzt darüber sprechen, würde ich die PR-Arbeit als spezifisches Instrument des Marketings definieren.

Rolf Mauer: Ist es schwer, für Architektur PR zu machen?

Frank Peter Jäger: Ja, das ist es. Und es ist in den letzten Jahren nicht leichter geworden. Diese Kritik müssen sich die Kollegen Journalisten schon gefallen lassen: Sie waren in der Themenfindung schon mal einfallsreicher! In den großen Publikumsmedien dominieren ausufernde Politikerstatements anstelle von Substanz. Und am liebsten wird skandalisiert: Man versucht, noch das kleinste Affärchen oder falsche Wort eines Politikers zum Großskandal aufzublasen. In diesem Umfeld hat es eine Nachricht schwer, die z.B. lautet: »In Nürnberg gibt es seit gestern ein neues, schönes, sehr gut gemachtes Gebäude.«

Also Konzentration auf die Fachmedien? Ebenfalls ein heikles Terrain. Die Redakteure der Architekturzeitschriften sehen sich in einem kuratorischen Selbstverständnis. Ich sage dem Redakteur oder der Redakteurin: Schau Dir mal dieses Projekt hier an, das ist doch interessant ... Kann mir aber passieren, dass als Antwort kommt: Danke für den Vorschlag, überzeugt mich aber nicht. In dem Raum zwischen diesen beiden Polen bewege ich mich bei der Pressearbeit. Und wenn ich mir unsere Medienresonanz am Ende einer Kampagne anschaue, dann muß ich sagen: Man kann mit einem dreiköpfigen Team auch in einem schwierigen Umfeld viel erreichen. Dabei helfen auch unsere Kooperationen mit einigen ähnlich aufgestellten Agenturen, da ergeben sich fruchtbare Synergien.

Rolf Mauer: Was ist für Sie das wichtigste Argument, in PR-Arbeit zu investieren?

Frank Peter Jäger: Man kann viele Argumente nennen, das Beste bleibt jedoch: Akquisitionsförderung, wenn auch nur mittelbar. Langfristig muss das hier investierte Geld wieder ins Büro zurückfließen. Stellt ein Büro eine Mitarbeiterin Vollzeit für diese Aufgaben ab, fallen inkl. der Sozialversicherungskosten pro Jahr ungefähr 30.000 - 35.000 Euro Personalkosten an. So etwas darf kein Selbstzweck sein. Wem das zu viel Geld ist, der kann viele Dinge an externe Dienstleister delegieren – die eingesparten Lohnnebenkosten kommen so unmittelbar dem operativen Budget zugute.

Rolf Mauer: Welche architektonischen Themen sind für die Öffentlichkeitsarbeit geeignet?

Frank Peter Jäger: Ich denke, fast alle! Selbst eher spröde Themen wie Bauwerksgutachten, Schadensanalyse oder energetische Optimierung im Bestand treffen auf Interesse. Die Graubrot-Arbeit des Bauens wird von vielen Architekten hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt. Man landet mit solchen Themen allerdings nicht in Hochglanzillustrierten sondern eher im Technikteil von Hausbauzeitschriften oder auf der Ratgeberseite der regionalen Tageszeitung. Für die Akquisition kann das eine Steilvorlage sein.

Rolf Mauer: Wie wichtig sind Publikationen in Architekturzeitschriften?

Frank Peter Jäger: Für viele Architekten ist es ein großer Moment, wenn Ihre Bauten in Architekturzeitschriften veröffentlicht werden, wie ein Ritterschlag. Man sollte die Bedeutung solcher Veröffentlichungen aber auch nicht überschätzten. Von Zeit zu Zeit in den großen Architekturzeitschriften präsent zu sein, ist vor allem wichtig für Büros, die relativ viele Aufträge über offene und beschränkte Wettbewerbe erlangen.

Natürlich zählen viele Architektinnen und Architekten, die als Fachpreisrichter in Jurys sitzen, zu den Abonnenten der bekannten Zeitschriften. Sicher auch ein paar Baudezernenten. Wer viel publiziert wird, hat dann recht gute Karten, bei einer Bauaufgabe, mit der er in den Fachmedien präsent war, geladen zu werden. Die Fachpresse ist für mich aber kein Gradmesser für die öffentliche Wahrnehmung von Architektur. Da erscheinen mir eher die Feuilletons der großen Tageszeitungen wichtig und andere Medien mit Breitenwirkung – wo Architektur jedoch insgesamt unterrepräsentiert ist. Rühmliche Ausnahmen sind FAZ, Süddeutsche, die Stuttgarter Zeitung und der Berliner Tagesspiegel – um die Wichtigsten zu nennen. Gegenfrage: Wie findet gute Architektur ihren Weg in die Fachpublikationen, wie sind Ihre Erfahrungen?

Rolf Mauer: Es gibt tatsächlich die seltenen Momente, in denen man über gute Architektur am Straßenrand geradezu stolpert und gleich darüber schreibt. So ein Glück hat man alle Jahre mal. In der Regel erfährt man von guter Architektur dann, wenn die Architekten sich in der Redaktion melden.

Frank Peter Jäger: Kommt das häufig vor?

Rolf Mauer: Viel zu selten. Der häufigste Fehler ist: Architekt hat sein Projekt abgeschlossen, schickt hoffnungsfroh ein paar Bilder und erwartet die umgehende Veröffentlichung. Erfolgt die nicht, meldet er sich nie wieder. Es ist einfach so: Nicht jedes Projekt findet automatisch seinen Weg in die Architekturpresse. Da hilft nur Beharrlichkeit sowie kontinuierliche Pressearbeit. Bei den Texten wäre allerdings manchmal professionelle Unterstützung wünschenswert. Mein Lieblingssatz aus allen zugesandten Erläuterungstexten lautet: »Das Projekt instrumentalisiert die Wand als das ursprünglichste territoriale Element architektonischer Negotiation unterschiedlichster Raumkonditionierungen«.

Frank Peter Jäger: Oh, da komme ich jetzt aber ins Grübeln. Mies hat ja auch viel über die Wand nachgedacht. Ich habe auch eine Sammlung solcher Texte.

Rolf Mauer: Wie läuft ein PR-Projekt ab?

Frank Peter Jäger: In der Regel beginnt alles mit einer Strategieüberlegung: Was ist spannend an dieser Sache, an diesem Projekt, für wen kann es von Interesse sein? Sagen wir: Wo findet dieses Thema eine Heimat, wo stößt es auf Gegenliebe? Was daran weist über das konkrete Projekt hinaus und rückt es damit in einen weiteren Kontext? Typisches Beispiel wäre dann, dass ich ein Projekt zwar nicht erfolgreich der Bauwelt oder der db empfehle, es aber gute Resonanz in der Immobilienpresse findet. Vielleicht weil das Gebäude besonders wirtschaftlich ist, oder aus anderen Gründen in der Branche einen Nerv trifft.

Rolf Mauer: Und wenn die Pressetexte fertig sind, versenden Sie 250 E-Mails?

Frank Peter Jäger: Genau. Ein paar Tagen später nehmen wir Kontakt auf zu den Redaktionen und sondieren, ob Interesse an dem Thema besteht. Es stellt sich dann oft heraus, dass viele das Material nicht wahrgenommen haben oder es nicht mehr finden, die werden dann noch einmal neu versorgt. Pressearbeit ist Handarbeit: Viele individuelle E-Mails, lange Telefonate, Überzeugungsarbeit am Telefon, Verhandlungen. Die Redaktionen, mit denen ich spreche, wissen in der Regel, dass ich PR-Arbeit mache. Sie wissen aber auch, dass die Themen Hand und Fuß haben und sie von mir professionelles Material geliefert bekommen – das fast immer honorarfrei ist. Das kann dann eine Win-Win-Situation werden.

Rolf Mauer: Lässt sich der Erfolg von PR-Arbeit messen?

Frank Peter Jäger: Leider nur schwer. Im Extremfall kann es sein, dass ich und meine Mitarbeiter uns wirklich intensiv engagieren, über zwei, drei Wochen hinweg mit zahlreichen Journalisten telefonieren und jede Menge persönliche E-Mails versenden – und am Ende erscheinen drei Online-Berichte und vielleicht noch zwei oder drei kleine gedruckte Beiträge. Keine großartige Ausbeute. Aber ich kann die Journalisten und Redaktionen eben nicht manipulieren. Wenn mein Büro 10 Tage tätig ist, stelle ich dem Auftraggeber wahrscheinlich schon einen Betrag zwischen 2000 und 3000 Euro Netto in Rechnung. Da ist es schon denkbar, dass ein Kunde sagt: Entschuldigung, so viel Geld für was bitte? Ein ziemliches Dilemma, oder? Die Leistung ist aber durchaus erbracht. Zum Glück ist dieser Fall praktisch noch nie eingetreten. Häufig wird aus einer anfänglich schwachen Resonanz im Laufe einiger Wochen noch ein starkes Medienecho.

Rolf Mauer: Was tun sie, um der oben geschilderte Situation zu entgehen?

Frank Peter Jäger: Fast immer ist ein Architekturprojekt Gegenstand der PR-Arbeit. Wenn ich bei so einem Gebäude den Eindruck habe: Das wird sich im Rahmen der PR-Arbeit kaum „verkaufen" lassen, lasse ich die Finger davon und rate dem Auftraggeber in spe von PR-Aktivitäten ab. Mittelprächtige Projekte lassen sich auch mit der leistungsfähigsten PR nicht in interessanten Medien platzieren. Es ist leider so: Für die kulturelle Relevanz eines Projektes müssen noch immer die Architekten sorgen, nicht die, die am Ende die PR-Arbeit machen. Jeder macht seine Hausaufgaben!

Rolf Mauer: Was war Ihr größter Erfolg?

Frank Peter Jäger: Erfolg ist für mich, wenn der Auftraggeber zufrieden ist. Das erreichen ich und mein Team in der großen Mehrzahl der Fälle auch. Ausgesprochen erfolgreich war z. B. auch die PR-Arbeit für das Berliner Büro Kaden Klingbeil Architekten, als sie 2007 als erste ein siebengeschossiges Stadthaus als reine Holzkonstruktion errichteten – für eine Baugruppe. Ein ziemlich abenteuerliches Projekt, die Baugenehmigung kam erst in letzter Minute. Ich war beauftragt mit der PR-Arbeit zum Baubeginn und wir haben für das Projekt wirklich drei Wochen lang Tag und Nacht rotiert, unter steter Beobachtung durch die Mitglieder der Baugruppe, unter denen auch Journalisten waren. Eigentlich halte ich von PR-Arbeit zum Baubeginn wenig, weil man ja bloß eine Absichterklärung herausposaunt; aber in diesem Fall waren wir dieser Skepsis zum Trotz sehr erfolgreich. Nach diesem ersten Impuls und weiteren PR-Aktivitäten der Architekten wurde das Projekt ein medialer Selbstläufer, und die Architekten konnten sich vor Besichtigungs- und Vortragsanfragen kaum noch retten. Heute hat das Büro nicht fünf, sondern 15 Mitarbeiter.

Rolf Mauer: Herr Jäger, vielen Dank für das Gespräch.

Das nächste Seminar zum Thema Presse- und Öffentlichkeitsarbeit führt Frank Jäger am Mi., den 23. Okt. für die AK Niedersachsen in Hannover durch. Am 31. Okt. findet in der AK Hamburg ein Schreibworkshop für Architekten statt. Anmeldung über die Architektenkammern.

 


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