Mit dem anhaltenden Zuzug nach Berlin geht die Notwendigkeit von mehr Wohnraum einher. Vor dem Hintergrund immer knapper werdenden Flächen im innerstädtischen Bereich bedarf es dafür allerdings neuer Konzepte und Visionen. Laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln soll Berlin bis 2035 um 14,5 Prozent auf über 4 Mio. Einwohner wachsen (*1). Es ist der größte Bevölkerungszuwachs aller Bundesländer, gefolgt von Hamburg mit 9,1 Prozent.
Mit dem aktuellen Wohnprojekt LINK in der Belforter Straße, Berlin-Prenzlauer Berg, präsentieren Jo Klein Architekten einen kleinen aber klugen Beitrag zur städtebaulichen Nachverdichtung. Das Wohnhaus mit vier 2-Zimmer-Wohnungen, einer Dachgeschoss-Maisonette sowie einer Gewerbe- und Bürofläche entstand in einer scheinbar unbebaubaren Baulücke mit einer Breite von nur 4,80 Metern. Um dennoch einigermaßen wirtschaftlich zu agieren, geht es bei derartig kleinen Vorhaben um jeden Quadratmeter Wohnfläche. Dank der Zustimmung des Nachbarn und der Stadt konnten zusätzliche Erker die Wohnfläche erweitern.
Eine Baulücke mit Potenzial
Der Baulückenschluss ist ein nicht immer unkontroverses Konzept der Nachverdichtung. Die offene Bauweise der 50er und 60er Jahre hat ihre Reize: Offene, weite und fließende Grünanlagen umgeben die Wohnblöcke und schaffen Distanz. Derartige Wohnanlagen führen aber nicht zu dem früher dagewesenen städtischen Leben und der Diversität im Straßenraum. Und sie bergen eben das Potenzial für Nachverdichtung in Zeiten hohen Drucks auf dem Wohnungsmarkt.
Das Projekt LINK vermittelt mit dem Lückenschluss zwischen den zwei diametral gegeneinander stehenden städtebaulichen Visionen: Der geschlossenen gründerzeitlichen Blockrandbebauung und der offenen und zurückgesetzten Bauweise der 60er Jahre. Am Anfang stand die Entscheidung der Eigentümer und des Bezirks beide städtebaulichen Strukturen nebeneinander zu erhalten. Jo Klein Architekten kam dann die Aufgabe zu ein zwischen diesen Gegensätzen vermittelndes Bauwerk zu schaffen
Klug verdichten
„Grundsätzlich hat die Stadt drei Möglichkeiten zu wachsen“, sagt Jo Klein: „In die Breite, in die Höhe oder in die Dichte.“
In die Breite kann nicht das Allheilmittel sein „Wir brauchen unsere stadtnahen Wälder und unsere Natur“ sagt Jo Klein. Nachhaltig und ökologisch sind kurze Wege und eine hohe städtische Konzentration.
„Wir sollten uns auf innerstädtische Konzepte konzentrieren“.
Das Bauen in die Höhe, also über Traufhöhe hinaus, findet Jo Klein überfällig, aber die Berliner tun sich schwer damit. Über kurz oder lang wird sich die skeptische oft emotionale Haltung hoffentlich legen, denn die Argumente sprechen eindeutig dafür. Nicht überall, aber er hätte sich Hochhäuser zum Beispiel in der neuen Europacity viel umfangreicher vorstellen können.
Wohnprojekt LINK in der Belforter Straße, Berlin-Prenzlauer Berg. Bild: David von Becker
Ein Geschoss mehr für mehr bezahlbaren Wohnraum
Doch birgt Berlin seiner Meinung nach ein großes Potenzial der Nachverdichtung. Das Schließen der Lücken mag sich langsam dem Ende zu neigen, aber das Nutzen der Dächer ist längst nicht ausgeschöpft. Jo Klein würde sogar einen Schritt weiter gehen und noch eine Ebene drauflegen, zumindest auf die Vorderhäuser. Die breiten Berliner Straßen geben das in der Regel her und die verkrüppelten zu niedrigen Dächer Berlins schreien danach. „Die Gründerzeitarchitekten hätten ihre Dächer gerne höher gebaut, da bin ich mir sicher“. Dies lässt sich ablesen an den Firstüberhöhungen, die in Berlin dort realisiert wurden, wo man sich soviel Schau leisten wollte und konnte. „Reine Kulissenarchitektur“ sagt Jo Klein, sie zeige aber, dass eigentlich der Wunsch nach wohlproportionierten höheren Dächern bestand.
Geschuldet war die nutzbare Höhe der Gründerzeitbauten damals schlicht durch die Höhe der Feuerwehrleitern.
Auch Aufzüge waren noch die Ausnahme. Jo klein plädiert dafür, allen Eigentümern zusätzlich zum Dach ein weiteres Geschoss zuzugestehen, wenn diese im Gegenzug ein Geschoss des Hauses als bezahlbaren Wohnraum anbieten. Das führe zur gesunden sozialen Mischung und würde sehr viel zusätzlichen Wohnraum schaffen. Derzeit scheitert das in Berlin aber meist an den gesetzlichen Bauvorgaben. Schon mit Dachaus- bzw. -neubauten auf nur einer Ebene rennt man in den Bezirksämtern häufig keine offenen Türen ein. Es wird nach veralteten Regelungen gehandelt, als gäbe es keine Wohnungsnot. Es gilt also das Baurecht zu ändern, um einen Anreiz für Dachaufstockungen zu schaffen und die soziale Durchmischung in den Innenstadtlagen zu wahren. Das ist nicht Aufgabe der Bezirksämter, sondern des Senats und überfällig.
Das Ganze geht auch eine Nummer grösser
Zusammen mit Daniel Libeskind entwickelt Jo Klein im Rahmen des neuen Hochhausleitbildes des Senats in Berlin gerade ein Wohnhochhaus. Der Mehrwert, der durch Überschreitung der Traufhöhe entsteht wird zu einem großen Teil in das Projekt reinvestiert. So entsteht in dem Haus ein sehr viel nennenswerterer Anteil an bezahlbarem Wohnraum. Ein Modell das Schule machen sollte.
Über Jo Klein
Jo Klein, der seit 2000 außergewöhnliche Bauprojekte für den Star-Architekten Daniel Libeskind im deutschsprachigen Raum leitete (u.a. das Militärhistorische Museum Dresden, die WESTside Mall in Bern, die Akademie des Jüdischen Museums in Berlin sowie das Wohnhaus Saphire in Berlin), entwickelt seit einigen Jahren ausgewählte Architekturprojekte mit seinem eigenen Team Jo Klein Architekten. Im Gegensatz zur erzählerischen Formensprache Libeskinds folgt Jo Klein seiner eigenen Architektursprache, die Seele eines Projektes steht auch hier im Mittelpunkt, jedoch ist seine Sprache konsequent gradlinig, authentisch, lebendig und voller Charakter. www.jokleinarch.com
*1: IW-Trends – Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 44. Jahrgang, Heft 3/2017. „Bevölkerungsentwicklung in den deutschen Bundesländern bis 2035“.