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Di, Okt

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Stadtplanung: Die Schwammstadt als neues Konzept mit Pflanzenkohle

Fachartikel

Der Begriff Schwammstadt oder englisch „Sponge City“ fällt in den letzten Monaten häufig. Dahinter verbirgt sich ein Konzept der Stadtplanung. Um Überflutungen bei Starkregen oder Vertrocknen von Stadtbäumen im Sommer zu vermeiden und damit zugleich das Klima zu verbessern, soll möglichst viel Regenwasser vor Ort aufgenommen und gespeichert werden. Gespeichert wie von einem Schwamm – daher der Begriff.

Konferenzen thematisieren diese vor allem in Skandinavien bereits sehr bekannten Konzepte und Medien greifen es auf. Was den Boden zum „Schwamm“ macht, wird oft nicht näher erklärt. Als „Schwamm“ dienen neben urbanen Grünflächen auch zum Beispiel versickerungsfähige Verkehrsflächen und Pflaster. In allen Konzepten unterstützt die Pflanzenkohle deren Schwammfunktion im Substrat darunter, indem sie einerseits eine sehr hohe Wasserspeicherfähigkeit aufweist und damit eine Pufferfunktion herstellt, andererseits den Boden lockert, ihn damit durchlässiger für Regenwasser macht und diesen vor Verdichtung bewahrt – also insgesamt die Schwammwirkung der verschiedenen städteplanerischen Maßnahmen erhöht

Felix Ertl, Circular CarbonPflanzenkohle wird allerdings auch noch nicht im großen Maßstab in Deutschland produziert. Die Gründer von Circular Carbon wollen
das mit ihren ersten industriellen Anlagen verändern. Felix Ertl, einer der Gründer (Bild rechts): „Unser Planet steht unter Druck. Wir wollen einen signifikanten Beitrag im Kampf um den Klimawandel leisten und starten dazu in Hamburg“. Der Startschuss für dieses Engagement rund um das Klima fiel bereits 2009 bei dem Besuch der Klimakonferenz in Kopenhagen. Gemeinsam mit dem weiteren Gründer Felix Ertl aus Franken hat der gebürtige Finne Stenlund danach erste Erfahrungen mit dem Nutzen von Pflanzenkohle in landwirtschaftlichen Projekten in Afrika gesammelt. In Schweden erlebten sie dann den Einsatz von Pflanzenkohle in der Städteplanung. Inzwischen gibt es sowohl in Deutschland als auch in Europa weitere Produktionsanlagen anderer Anbieter, allerdings nicht auf der Basis von Reststoffen oder wie in wie in Hamburg aus Kakaoschalen.

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Der Nutzen von Pflanzenkohle

Pflanzenkohle lässt sich aus unterschiedlichen Biomassereststoffen herstellen. Das Unternehmen Circular Carbon hat sich bei der ersten großen industriellen Produktionsanlage in Deutschland für Kakaoschalen entschieden. Diese fallen in einem benachbarten Unternehmen bei der Produktion von Kakaopulver und -butter an. Bisher ein Abfall, der täglich entsorgt werden musste, ohne Nutzen für das Klima oder das Kakaounternehmen. Im Gegenteil, die Kakaoschalen verursachten durch den täglichen LKW Transport Kosten und Emissionen. Pflanzenkohle aus Kakaoschalen bindet CO2 und hilft somit im Kampf gegen den Klimawandel. Sie entsteht durch Verkohlen der Kakaoschalen bei über 600 Grad Celsius, bei weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff. Nebenbei wird die im Prozess entstehende Energie genutzt, um die Kakaofabrik mit Dampf zu versorgen und so Erdgas zu ersetzen. Quasi eine Win-win-Situation. Abnehmer der Pflanzenkohle sind aktuell landwirtschaftliche Unternehmen und Gartenbaubetriebe. Diese nutzen das Produkt zur Bodenverbesserung oder als Tierfutterzusatz. Außerdem wird Pflanzenkohle bereits in Baustoffen oder im Straßenbau verwendet.

Schwammstädte in Skandinavien und in Deutschland

Viele Städte sind heute sehr dicht bebaut; die versiegelte Fläche ist dementsprechend hoch. Bäume und Pflanzen können ihre Wirkung nicht komplett entfalten, werden selbst durch zu wenig Raum für ihre Wurzeln oder durch Bodenverdichtung in ihrer Entwicklung und in ihrer Fähigkeit, Wasser zu speichern, behindert. Die Folge: Städte und Kommunen kämpfen bedingt durch den Klimawandel immer häufiger mit Starkregen und Überschwemmungen. Die Kanalisation ist mancherorts mit den Wassermassen überfordert. Die aktuellen Extremwetterlagenmit Starkregen, haben die Öffentlichkeit weitgehend vom Klimawandel und der Notwendigkeit überzeugt, etwas zu tun. Die Regenmassen kommen dem Boden leider nicht für erneute Dürreperioden zugute, denn es gibt kaum Auffangkonzepte und -methoden. Aufgrund der stark verdichteten Böden kommt das viele Regenwasser auch nicht zu den Wurzeln der Bäume, sondern fließt oberflächlich ab. Zugleich fehlt den neugepflanzten Stadtbäumen Raum für ihre Wurzel, um eine ausgewachsene Baumkrone auszubilden. Nur ausgewachsene Bäume können aber den zunehmend extremen städtischen Hitzeinseln im Sommer durch Kondensationskühlung etwas entgegensetzen.  Eine mögliche Lösung: das Konzept der Schwammstadt. In ersten Umsetzungen solcher Konzepte spielt häufig ein modernes Regenwassermanagement eine große Rolle. Dazu gehören sogenannte Versickerungsmulden, die das Regenwasser bei Starkregen zurückhalten. Um solche und weitere Konzepte geht es auch der vor fünf Jahren gestarteten „Berliner Regenwasseragentur“. Jüngst hat sie daher Preise für „zehn Ideen für die Schwammhauptstadt“ verliehen  regenwasseragentur.berlin/forum-regenwasser-2023/

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Bildquelle: Ben Rose BSc (Hons) MSc DipArb(RFS) MICFor RCArborA, Stockholm Tree Pits Ltd


Mehr als 400 Hektar Berliner Fläche habe die Regenwasseragentur inzwischen entwickelt, so ihre Geschäftsführerin Darla Nickel (siehe Berliner Morgenpost, 22.Juni 2023: „Berlin soll Schwammhauptstadt werden. Neue Wege sind gefragt, um sich gegen Hitze und Flut zu schützen…“)

Die Bedeutung „blau-grüner“ Infrastruktur ist vielen weiteren Akteuren also bewusst, Abzulesen auch an der im Juni letzten Jahres veranstaltete Konferenz zu „Klimaresiliente Schwammstadt: Naturbasierte Konzepte und Maßnahmen als Baustein urbaner Transformation“ des Umweltbundesamtes: www.umweltbundesamt.de/forschungskonferenz-klimaresiliente-schwammstadt

Empfohlen wurden auch dort u.a. die Begrünung von Dächern und Fassaden und die Flächenentsiegelung. Alles wichtige Maßnahmen. Aber weniger oft wird vom unterstützenden Einfluss der Pflanzenkohle berichtet.

Erste Beispiele: Pflanzenkohle für Schwammstädte

Pflanzenkohle tauchte bei den o.g. Ideen und im Forum der Berliner Regenwasseragentur nicht auf. Ebenfalls aus Berlin gibt es allerdings einen Vorreiter für den Einsatz von Pflanzenkohle: Der Geoökologe Robert Wagner von der Freien Universität Berlin, (siehe Artikel TAZ, Mai 2023 „Beachtliches Klimapotenzial“) beschäftigt sich seit 15 Jahren mit deren Erforschung. Wie können die Straßenbäume profitieren?

Wagner: „Pflanzenkohle in der Baumgrube kann die Resilienz der Bäume steigern, weil die Kohle wurzelnah Nährstoffe und Wasser speichert. Wir haben vor etwa einem Jahr in drei Zehlendorfer Straßen Jungbäume in rund ein Kubikmeter kleine Gruben gepflanzt. Da sehen wir bereits positive Ergebnisse bei Wachstum, Bodenfeuchte, Vitalität und der Reduktion von CO2 in der Wurzelzone.“ In Stockholm bekämen neugepflanzte Bäume größere Gruben als bisher in den Berliner Beispielen zur Verfügung stände. Aber Wagner kündigt die sogenannte „Klimastraße“ in Berlin-Pankow an, das dem Stockholmer Modell entsprechen wird. Ein unterirdischer Pufferspeicher soll entstehen, der eingeleitetes Regenwasser aufnimmt und dort versickern lässt. Die neue Berliner Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) plant den Einsatz einer Sonderkommission Klima. Das Unternehmen Circular Carbon wird sie auf die Chancen der Pflanzenkohle hinweisen.

Denn während im zitierten Schweden bereits zahlreiche Städte den Nutzen von Pflanzenkohle für ihre Stadtbäume erkannt haben, stehen sogenannte Schwammstädte in Deutschland erst am Anfang.

Selbst in weniger extremen Wettersituationen profitieren Stadtbäume von der Pflanzenkohle. Oft steht ihnen nur ein begrenzter Lebensraum zur Verfügung. Ihre Wurzeln können sich in den üblichen Pflanzgruben angesichts von Überbauung und Begrenzung mit Platten oder Asphalt kaum ausdehnen und daher weder ausreichend Feuchtigkeit speichern noch Nährstoffe aufnehmen. Nutzen Städteplaner und mit ihnen kooperierende Gewerke jedoch die nährstoffreiche Pflanzenkohle aus Kakaoschalen, zum Beispiel in der Kombination mit Schotter, schaffen sie zum einen statisch belastbaren Untergrund und zum anderen liefern sie den Bäumen einen weitaus größeren Wurzelraum und ein Reservat für Nährstoffe und Wasser. Erst dann können die städtischen Lungen zu echten ausgewachsenen Baumkronen heranwachsen und damit städtische Hitzeinseln kühlen. Zum Nutzen der Bäume, der Kommunen und Städte und des Klimas für die Bewohner. Denn außer den beschriebenen Vorteilen und der bekannten Tatsache, dass Bäume und Pflanzen CO2 binden, zieht die Pflanzenkohle CO2 aus der Atmosphäre und bindet beim Beispiel „Schwammstadt“ zusätzlich CO2 im Boden.

Das Stockholmer Konzept setzt genau dort an. Man verwendet Schottergestein in unterschiedlicher Körnung und schafft damit geschützte Hohlräume. Es kommt also nicht zur Bodenverdichtung und selbst bei hoher statischer Belastung können sich die Wurzelräume unter Wege ausweiten und beeinträchtigen diese auch nicht. Die genannten Hohlräume werden mit Pflanzenkohle aufgespült. Neben den bereits geschilderten Vorteilen durch deren Schwammfunktion trägt sie zum Gasaustausch der Wurzeln bei. Dieser spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Wurzeln. Sie müssen atmen, sonst verfaulen sie. Und last but not least fungiert die Pflanzenkohle hier wie ein Filter: sie verhindert, dass kontaminiertes Oberflächenwasser in die Tiefe gelangt. Siehe www.stockholmtreepits.co.uk und www.ecotopic.se

Plädoyer für Stadtbäume mit großen Kronen

Konzepte zur „Schwammstadt“ beinhalten allerdings mehr als die Beifügung von Pflanzenkohle. Das machen Beispiele aus Stockholm aber auch aus Österreich deutlich. Laut Stefan Schmidt, Abteilungsleiter an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn und Mitwirkender des 2018 gegründeten „Arbeitskreises Schwammstadt“, haben sich die Tropennächte zum Beispiel in Wien Innere Stadt 2017 gegenüber dem Mittel von 1981 bis 2010 etwa verdoppelt. „Eine umfassende Begrünung von Dächern und Fassaden sowie Straßen und Plätzen kann zur Linderung der Klimawandeleffekte beitragen. Großkronige Stadtbäume wirken hier in mehrfacher Hinsicht als Klimaanlage. Neben dem Schattenwurf ist vor allem der Pflanzenstoffwechsel besonders effektiv für die Kühlung der Umgebungstemperatur verantwortlich.“ Er beschreibt das Grundprinzip der Kühlungsfunktion von Bäumen: Dieses bestehe in der Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern und den Bäumen zur Verdunstung zur Verfügung zu stellen. Und weiter: „Stadtbäume erreichen ihre volle Wirkung für den Klimaschutz erst nach rund 30 Jahren, wenn sie eine große Krone entwickelt haben. Da die Kronengröße aber mit dem Wurzelvolumen korreliert, stoßen Bäumen in Stadtstraßen viel zu rasch an ihre Grenzen“ In der Praxis finden Bäume in Städten zu wenig Wurzelraum, ungeeignetes Substrat, Bodenverdichtung und kontaminiertes Oberflächenwasser vor. Die Bäume kümmern und müssen im schlimmsten Fall schon in den ersten Jahren ersetzt werden. Fazit: Die meisten Straßenbäume werden im Schnitt nicht älter als 20 bis 30 Jahre alt und können somit ihre Wirkung nicht annähernd entfalten!

Stefan Schmidt: „Das Schwammstadt Prinzip kann hier Abhilfe schaffen. Es ist ein innovatives System, das bei geringstmöglichem Verkehrsflächenbedarf großkronige Bäume ermöglicht und durch lokalen Retentionsraum Teil der blau-grünen Infrastruktur ist.“


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