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Bayern vereinfacht das Abstandsflächenrecht

Symbolbild

Fachartikel

 

Mit der am 1. Februar dieses Jahres in Kraft getretenen Novelle der Bayerischen Bauordnung möchte die Bayerische Staatsregierung neue Standards für schlankes und effizientes Bauen setzen. Ziel der weitreichenden Neufassung des Gesetztes ist es, baurechtliche Regelungen zu vereinfachen, zu beschleunigen und den Wohnungsbau zu fördern.

Neue Regelungen zu den Abstandflächen

Elementarer Bestandteil der Gesetzesneufassung ist die Modifizierung des Abstandsflächenrechts. Als Kernbestandteil des Bauordnungsrechts spielen die Abstandsflächen, die für ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung in den Gebäuden sorgen sollen, für jeden Architekten und Bauherrn eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus sollen die Abstandsflächen möglichen nachbarschaftlichen Konflikten vorbeugen.

Der Abstandsflächenregelung steht jedoch das Interesse der öffentlichen Hand und der Grundstückseigentümer an Nachverdichtung und somit an der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum gegenüber.

Aus Sicht der bayerischen Staatsregierung setzt moderner Wohnungsbau voraus, dass in Zukunft dichter gebaut werden kann. Dem trägt die neue gesetzliche Regelung Rechnung, indem das Abstandsflächenrecht dem Modell der Musterbauordnung angepasst wird.

Abstandsflächen verringern sich um mehr als die Hälfte

Kernpunkt der Änderung ist das grundsätzlich geänderte Maß der Tiefe der Abstandfläche von 0,4 H, mindestens 3 m, anstelle des bisher geltenden Maßes von 1,0 H, mindestens 3 m. Eine Sonderregelung enthält das Gesetz für Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern, also z.B. für die Städte München, Nürnberg und Augsburg. Hier soll die bisherige Abstandsflächenregelung dem Grunde nach erhalten bleiben.

Bisher sah die Regelung des Art. 6 Abs. 5 S. 1 BayBO vor, dass vor den Außenwänden von Gebäuden grundsätzlich eine Fläche von 1 H von der Bebauung freizuhalten ist. Das Maß H setzt sich aus verschiedenen Parametern zusammen und bestimmt sich dabei hauptsächlich nach der Wandhöhe. Einzubeziehen war bisher neben der Wandhöhe eines Gebäudes zusätzlich auf der Traufseite die Höhe des Dachs mit einem Drittel, sofern das Dach eine Neigung von mehr als 45 Grad hat. Hatte das Dach eine Neigung von mehr als 70 Grad, war seine Höhe sogar vollständig zu berücksichtigen. Auf der Giebelseite wurde die Höhe mit einem Drittel berücksichtigt, wenn das Dach
eine Neigung von bis zu 70 Grad aufwies. Bei einer stärkeren Dachneigung war die Höhe vollständig zu erfassen.

Durch die Neuregelung des Gesetztes wird das Maß „H“ von 1,0 auf 0,4 verkürzt, d.h. während früher von einer beispielsweise 10 m hohen Wand noch eine Abstandsfläche von 10 m eingehalten werden musste, so ist nunmehr lediglich ein Abstand zum Nachbargrundstück von 4 m einzuhalten.

Weiterer wesentlicher Unterschied der Neuregelung zur alten Gesetzeslage ist, dass auf der Giebelseite des Gebäudes künftig keine Anrechnung der Giebelfläche mehr auf die Wandhöhe erfolgt, sondern die Wand in ihrem Gesamtaufriss maßgeblich für die Bemessung der Tiefe der Abstandsflächen ist. Die Wandhöhe auf der Giebelseite bemisst sich also nach der Höhe der gesamten Wand. Die entstehende Abstandsfläche ist auch nicht mehr, wie nach der bisherigen Regelung, rechteckig, sondern sie entspricht in der Form der jeweiligen Giebelwand. Bisherige Streitfragen, etwa die, wie sich die maßgebliche Wandhöhe bei besonderen Dachformen auf der Giebelseite berechnet, stellen sich nun nicht mehr.

Städte und Gemeinden können von Neuregelung abweichen

Die Neuregelung soll in erster Linie der Nachverdichtung dienen und dazu führen, dass dringend benötigter Wohnraum leichter geschaffen werden kann. Dies führt allerdings zwangsläufig zu einer gedrungeneren Bauweise, die durchaus auch Konfliktpotential birgt, da die Nachbarn näher zusammenrücken.

Da dem Gesetzgeber bewusst ist, dass viele Gemeinden dies kritisch sehen, geht mit der Neufassung der BayBO eine stärkere „Kommunalisierung“ einher, um den Gemeinden die Möglichkeit zu geben, stärker durch städtebauliche Satzungen und Satzungen nach Art. 81 BayBO Angelegenheiten des Bauordnungsrechts – insbesondere auch im Abstandsflächenrecht - zu regeln.

Die Gemeinden können die nun geltende Abstandsflächentiefe von 0,4 H auf das alte Maß von 1,0 H erhöhen, um das Ortsbild im Gemeindegebiet oder in Teilen davon zu erhalten oder um für eine Verbesserung oder Erhaltung der Wohnqualität zu sorgen. Ihnen kommt damit eine besondere Rolle für den Schutz des städtebaulichen Charakters in den Gemeinden zu, die allerdings auch einen erheblichen Begründungsaufwand nach sich zieht. Nichtsdestotrotz zeigt sich bereits, dass viele bayerische Kommunen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, eigene Abstandsflächensatzungen zu erlassen.

Fazit

Das neue Abstandsflächenrecht führt zu einer erheblichen Verkürzung der Abstandsflächen und wird in vielen bayerischen Kommunen zu einer Veränderung des Ortsbildes führen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die neuen Regelungen in Zukunft auch für Großstädte festlegen wird, wonach es derzeit allerdings nicht aussieht.


Autor:
Rechtsanwalt Max-Josef Heider - Rechtsanwalt Heider Garching bei München. ra-heider.de


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