Auf dem Höhepunkt der Pandemie im Jahr 2020 entfielen 35% der energiebedingten CO2-Emissionen in Europa durch Gebäude, indem u. a. fossile Brennstoffe zur Bereitstellung komfortabler, gut beleuchteter Wohn- und Geschäftsgebäude verwendet wurden. Das ist eine enorme Zahl - die jedoch auch als Aufforderung an Architekten gesehen werden kann, den CO2-Fußabdruck ihrer Entwürfe zu verringern.
Wir haben bereits einen Eindruck vermittelt bekommen, wie dies aussehen könnte. Seit 2005 sind die Treibhausgasemissionen des europäischen Baugewerbes um über 35% gesunken - größtenteils aufgrund erhöhter Energieeffizienzstandards neuer Gebäude und verbesserter Energieeffizienz bestehender Gebäude. Dies zieht, wie intelligentes Design zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen kann. Und doch gibt es noch viel mehr, was wir als Berufsstand tun könnten.
Architekten und Planer haben die Pflicht, Nachhaltigkeit in ihre Projekte zu integrieren. Genauso wie wir unsere tektonischen, ästhetischen oder kulturellen Auswirkungen berücksichtigen, sollten wir die Auswirkungen auf die Umwelt bedenken. Viele Unternehmen und Fachleute haben sich bereits dazu verpflichtet. Ein Beispiel sind die zahlreichen Teilnehmer der 2030 Challenge - einem Ansatz, innerhalb von sieben Jahren bei alle neuen Gebäuden und bei größeren Renovierungsarbeiten Klimaneutralität zu erreichen. Die Initiative Architects Declares (AD) hat mittlerweile mehr als 7.000 Unterzeichner in über 28 Ländern. Deren Unterzeichner setzen sich aktiv für Architektur- und Städtebaukonzepte ein, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben.
Bild oben und unten: Bildquelle Studio St.Germain
Versprechen und Zusicherungen sind einflussreich. Aber wie sehen sie in der Praxis aus? Meines Erachtens lassen sich greifbare Ergebnisse nur durch drei wesentliche Aspekte erreichen:
1. Nachhaltige Strategien sollten Teil des Entwurfsprozesses sein.
Ein Architekt hat mal zu mir gesagt, dass „Architekten und Planer Nachhaltigkeit von Anfang an in den Entwurfsteig mischen sollten, anstatt ein Gebäude wie einen Stapel Pfannkuchen zu entwerfen und nachträglich Nachhaltigkeitssirup darüber zu gießen“.
Ich denke, dass diese Analogie unglaublich hilfreich ist, wenn man darüber nachdenkt, wie Nachhaltigkeit im Entwurfsprozess behandelt werden sollte. Sie kann nie ein nachträglicher Gedanke oder eine dekorative Geste in letzter Minute sein. Sie muss in die Grundlagen eines jeden Bauprojekts integriert werden. Ein guter Ausgangspunkt in der Anfangsphase ist die Kombination von Erkenntnissen aus der Vorentwurfsphase mit hochrangigen Bewertungen der Energie- und Tageslichtanforderungen eines Konzepts und deren Vergleich mit ausgewählten Leistungszielen.
Noch vor Beginn der Planung eines Gebäudes können ein Verständnis von Sonnenverlauf und den vorherrschenden Winden am Standort dazu beitragen, die passiven Konstruktionsstrategien für die natürliche Erwärmung und Kühlung der Räume in den verschiedenen Jahreszeiten zu optimieren.
Schon mit dem Abwiegen und Vorstellen verschiedener Optionen können beispielsweise die thermische Leistung der Gebäudehülle getestet, die notwendige Beschattung in den Entwurf einbezogen, das Fester-Wand-Verhältnis optimiert - um gutes Tageslicht zu erhalten und gleichzeitig Blendung und Überhitzung zu minimieren - und die Wahl der Heizsysteme beeinflusst werden.
In den letzten zehn Jahren haben Technologien wie SketchUp Sefaira und PreDesign Gebäudeanalysen anstatt in späteren Stadien bereits in der Entwurfsphase möglich gemacht. Diese Technologien stellen Werkzeuge zur Verfügung, die anzeigen, welche Ausrichtung und Masse für ein bestimmtes Klima am besten geeignet sind, ohne dass Fachleute im Voraus die HLK- und maschinentechnischen Details kennen oder berücksichtigen müssen. Sefaira ermöglicht schnelle Energie- und Tageslichtsimulationen, um die Auswirkungen eines Entwurfes auf Energiekosten und CO2-Emissionen zu verstehen und gleichzeitig die potenziellen Auswirkungen eines erneuerbaren Systems zu messen. Durch die Nutzung dieser Technologien können Planungsteams bereits zu Beginn des Designprozesses nachvollziehen, wie ihre Projekte in Bezug auf Klimaziele und Nachhaltigkeitszertifizierungen abschneiden, ohne die Design-Narrative zu beeinflussen.
2. Die finanziellen Vorteile nachhaltiger Projekte aufzeigen.
Die Vorstellung, dass eine nachhaltige Gestaltung von Projekten Kosten steigen lässt, ist ein Mythos. Ein Beispiel für den frühzeitigen Einsatz von Energiemodellen von JGL Architects hat zu einer prognostizierten Kapitalrendite von über 200.000 $ positivem Nettoumsatz nach 30 Jahren Lebensdauer geführt. Durch die Nutzung von Sefaira konnten die Architekten bereits in einem frühen Stadium Designstudien und Leistungssimulationen durchführen und die gewonnenen Informationen bei der Festlegung der Gebäudeform verwenden.
Durch den frühzeitigen Einsatz von Leistungsanalysetechnologien erhalten Architekturbüros von Beginn an Leistungsdaten zu ihren Entwürfen und können Spezialisten für die Energiemodellierung dann einbeziehen, wenn das Projekt bereits ausgereifter ist. Auf diese Weise können Firmen es vermeiden, vorzeitig Spezialisten für Energiemodelle zu beauftragen, die für die Erstellung eines Energiemodells zwischen 7.000 und 40.000 € verlangen. Zwar sind diese Analysen im weiteren Verlauf von unschätzbarem Wert, jedoch bleiben sie in der Regel hinter dem Tempo des konzeptionellen Designs zurück und haben einen geringeren Wert, solange sich das Projekt noch in rasantem Tempo entwickelt.
Es ist jedoch erwähnenswert, dass nicht nur Architekturbüros, sonder alle an der Konzeption beteiligten Akteure finanzielle und nicht-finanzielle Vorteile aus der Vorentwurfsanalyse für nachhaltige Konzepte ziehen. So können Bauunternehmen beispielsweise Materialabfälle - die schätzungsweise ein Drittel des weltweiten Gesamtabfalls ausmachen - vermeiden, indem sie im Vorfeld genaue Angaben zum benötigten Materialumfang eines Bauprojektes erhalten.
Bildquelle: Sterner Design
3. Weitergabe von Wissen und bewährten Verfahren an die nächste Generation.
Der Zugang zu verdaulichen Informationen ist für einige Branchenkollegen noch immer ein Hindernis für die frühzeitige Einführung nachhaltiger Designpraktiken. Nicht jedes Planungsbüro verfügt über Teammitglieder, die sich auf Softwaretools spezialisiert haben, welche den Nutzern die notwendigen Einblicke in nachhaltiges Design bieten. Um sicherzustellen, dass die Teams Projekte mit optimierter Energieleistung liefern, ist es entscheidend, dass sie sich mit wichtigen Messgrößen wie der Energiekennzahl (EUI), der Spatial Daylight Autonomy (sDA) und der Annual Sunlight Exposure (ASE) auskennen.
Während Technologien und Lösungen, die einen echten ökologischen Wandel vorantreiben, in der Architektur- und Designbranche bereits vorhanden sind, gibt es keine einzige Wissensquelle. Gemeinsame Ressourcen und bewährte Praktiken sind entscheidend für die kollektive Wirkung, da kein Stakeholder der gebauten Umwelt die anspruchsvollen Ziele zur Klimaneutralität im Alleingang erreichen kann.
Alle am Bau Beteiligten sollten zusammenarbeiten, um nachhaltige Gebäude, Städte und Infrastrukturen in Auftrag zu geben, zu planen und zu bauen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollten reflektiert und dokumentiert werden, damit die Architekten von heute den Staffelstab erfolgreich an die kreativen Köpfe von morgen weitergeben können.
Bild rechts: Sumele Adelana (RIBA Associate) setzt ihre Ausbildung und Erfahrung in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Gebäudedesign ein, um Inhalte und Kampagnen zu entwickeln, die es Fachleuten in der Architektur, Ingenieur- und Bauwesen-Branche ermöglichen, innovative Technologien für besseres Design und eine nachhaltigere gebaute Umwelt zu nutzen.
Sie wendet dieses Wissen in ihrer Rolle als Senior Product Marketing Manager bei Trimbles SketchUp und der Planung von Wohnprojekten in Großbritannien an.